Hexenseelen - Roman
einer nach dem anderen die Villa verließen.
Sie fahren zur falschen Adresse , pochte es in ihrem Hirn - es waren nicht mehr ihre Gedanken, sondern die ihres dämonischen Mitbewohners.
Nur Roland blieb zurück, der laut Marias Befehl das Haus bewachen sollte, und die Metamorphe.
Ylva raffte sich auf. Sie durfte nicht untätig bleiben, während die Rettung zum falschen Ort strebte. Wenn es
nötig war, würde sie Conrad allein herausholen. Koste es, was es wolle.
»Du!« Ylva fuhr herum und lief zu einer Metamorph-Frau mit zwei blonden Zöpfchen, die ihr etwas Mädchenhaftes verliehen. Die Frau und die Zwergziege, die neben ihr stand, ruckten gleichzeitig die Köpfe. »Kannst du für mich eine Adresse herausfinden?«
»Äh«, sagte sie, was sich beinahe nach einem »Mäh« anhörte. »Ja. Ich glaube schon.«
»Gut. Heigonder oder Helgonder Straße, Weg, Allee - irgendetwas davon muss richtig sein. Probier alles aus, ich will wissen, wo das ist.«
»Äh. Okay.«
Ylva sah zu einem jungen Mann mit schwarzen Locken, der etwas unschlüssig neben der Treppe herumlungerte. »Wie viele Metamorphe sind noch hiergeblieben?«
Sichtlich überrascht, angesprochen - überhaupt wahrgenommen - zu werden, hob er seinen Lockenkopf.
»Sechs«, erwiderte er tatkräftig. »Micaela ist allerdings die einzige Jägerin. Wir, die anderen, haben als Seelentiere eine Zwergziege, eine Meise, eine Taube, ein Meerschweinchen, und ich …«
Roland baute sich neben ihm auf und tätschelte ihm die Schulter. »Eine Kellerassel oder einen Goldfisch? Schluss jetzt. Ylva, du wirst nichts unternehmen, sondern hier mit mir auf Maria warten. Hast du mich verstanden?«
»Nein, ich muss …«
Blitzschnell stand er vor ihr und hielt sie an den Handgelenken
fest. »Du musst rein gar nichts. Ich kann nicht erlauben, dass du irgendwelche Dummheiten machst. Conrad hat mir befohlen, auf dich aufzupassen. Deshalb sage ich dir jetzt: Du bleibst hier und hältst die Füße still. Glaub mir, das Nichtstun fällt mir ebenso schwer wie dir, aber wir werden warten.«
Sie musste es nicht probieren, um zu ahnen, wie unmöglich es sein würde, sich aus seinem Griff zu befreien. Groll stieg in ihr hoch.
»Ich hasse dich!«, schleuderte sie ihm ins Gesicht. »Nimm deine Pfoten von mir!«
Er zeigte sich ruhig, und natürlich blieben seine Pfoten dort, wo er sie bereits hatte. »Du wirst mich leider in dieser Villa hassen müssen, nicht irgendwo anders.«
Ylva wusste, gegen Roland hatte sie keine Chance. Wie sollte sie da gegen die Meute des Messias aufkommen, die Conrad vermutlich bewachte? Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich dem Nachzehrer zähneknirschend zu fügen.
Stundenlang lief Ylva in der Eingangshalle hin und her - mehr konnte sie nicht unternehmen. Nur ein Gedanke zermürbte ihr Hirn: Die Nachzehrer werden Conrad in dem Gewerbegebiet nicht finden. Sie hatte versagt, alles war verloren.
Plötzlich stand Roland wieder neben ihr, packte sie und schob sie vom Eingang fort, ohne dass sie wusste, was los war. In diesem Augenblick schlug die Tür auf, und Maria stürmte herein. Keine Lady mehr - eine Kriegerin mit aufgeknöpftem, wehendem Mantel. Jetzt
schien jede ihrer Poren den Gestank nach Blut und Tod zu verströmen.
»Halte sie fern von ihm!«, befahl die Nachzehrerin Roland barsch und deutete auf Ylva. »Lass sie auf keinen Fall in seine Nähe!«
Noch konnte Ylva überhaupt nicht begreifen, was das zu bedeuten hatte, als Adrián hereintrat. In den Armen hielt er einen Körper. Eine graue Felddecke mit großen dunklen Flecken nahm Ylva die Sicht, doch sie musste auch nichts sehen, um zu wissen, wer gerade hereingetragen wurde.
»Conrad!«, schrie sie, wollte zu Adrián stürmen und wurde von Roland grob zurückgerissen. Sie durfte bloß beobachten, wie Adrián zu einer der Treppen eilte, die Stufen hinauflief und hinter Maria in der Galerie des ersten Stockwerkes verschwand.
Ylva schloss die Augen. Siedend heiß durchfuhr es sie: Du hast dich geirrt! Ein Glück, dass keiner auf dich gehört hat. Dass es Maria tatsächlich gelungen ist, Conrad zu holen, ihn … auch zu retten?
Sie hatte nicht viel von dem gesehen, was Adrián hereingebracht hatte. Die fleckige Decke, aus der die Beine herausragten. Und eine Hand, die schlaff hinunterhing. Eine blutüberströmte Hand mit nur vier Fingern.
Kapitel 22
I ch muss wissen, wie es ihm geht«, stammelte Ylva, obwohl der kurze Anblick zuvor ausgereicht hatte, um ihr klarzumachen, wie schlecht es
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