Hexenseelen - Roman
jemand in dem Raum, doch diesmal war es der Sterbliche. Er klappte zusammen und sackte zu Boden. Sein Körper begann, sich wie in Konvulsionen zu winden. Es sah grotesk aus. Erschreckend. Stella wollte wegschauen, doch der Gesang der Mächtigen befahl ihr, dem Grauen zuzusehen. Sie konnte sich nicht mehr rühren, nicht einmal die Lider schließen.
Der Junge zuckte, röchelte und gurgelte. Dann endete der Gesang abrupt, und alles hielt still, das ganze Universum. Stella hörte nur ihr Herz trommeln, als hätte es sich noch nicht von dem Rhythmus der Mächtigen gelöst.
Niemand bewegte sich, bis die Metalltür quietschte. Timo durchbrach den Kreis, packte den Jungen an den Armen und zog ihn aus dem Raum. Auf dem Boden blieben nur die Schleifspuren zurück.
Stella schluckte. Ihr schwindelte. Was sich gerade abgespielt hatte, vermochte sie kaum mit ihrem Verstand zu erfassen. War sie wirklich Zeugin einer Dämonenbeschwörung geworden? Oder halluzinierte sie bloß?
Als der Messias zu sprechen begann, konzentrierte sich ihre Aufmerksamkeit nur auf den Erlöser. Alles andere war sofort vergessen.
»Heute ist ein besonderer Tag«, kündigte er an. »Der Tag, an dem die Verblendeten endgültig zerschlagen werden. Lasst uns Dämonenkrieger schmieden, die unsere Wahrheit in der Welt säen werden.«
Ein weiterer Sterblicher betrat den Raum.
Kapitel 29
E s gefällt mir nicht.« Conrads Finger befühlten die Pistole, die er auseinandergebaut und wieder zusammengesetzt hatte, ohne dass Einzelteile übrig geblieben waren. Die einzige Möglichkeit, die Sorgen um Ylva, die ihn beinahe zerrissen, unter Kontrolle zu halten. Einen vor Kummer wahnsinnigen Anführer konnte sein Clan jetzt weniger denn je gebrauchen.
Seine Welt mit den Händen, durch das Âjnâ, Geräusche oder Gerüche wahrzunehmen, gelang ihm immer besser. Er machte Fortschritte, er freute sich über jeden einzelnen davon, aber manchmal verzweifelte er daran, weil es nur langsam voranging. Viel zu langsam. Solange er sich in einer Umgebung befand, die ihm vertraut war, fand er zum Teil seine frühere Sicherheit wieder. Aber er machte sich nichts vor: Auf fremdem Terrain wäre er völlig aufgeschmissen. Ohne Begleitung verließ er die Villa nicht.
»Wir haben es doch besprochen!«, erwiderte Maria, und er hörte leicht entnervte Töne heraus, gemischt mit Besorgnis und Ärgernis. Wie kein anderer Nachzehrer wusste die Lady ihr Âjnâ absolut undurchdringlich zu halten, doch in kleinen Dingen verriet auch sie sich von
Zeit zu Zeit. »Alles steht bereit. Eine bessere Chance zuzuschlagen werden wir nicht bekommen.«
Ja, ich weiß, ich weiß! , hätte er beinahe geknurrt, und er musste sich zwingen, ruhig zu bleiben und klar zu denken. Rational betrachtet, gab es keinen Grund zu zögern. Im Gegenteil. Das Warten konnte die Frau, die er liebte, das Leben kosten, und das machte ihn verrückt. Wenn er bloß daran dachte, was die Schergen des Messias ihr antun konnten, wurde ihm schlecht. Dann kam ihm die Dunkelheit ringsherum noch schwärzer vor und die Welt noch leerer. Nur ein Gedanke linderte das Gefühl, so machtlos zu sein: Der Erlöser brauchte Ylva unbeschadet - ihn damals nicht. Ihr würde nicht widerfahren, was er über sich hatte ergehen lassen müssen. Das durfte es einfach nicht.
»Conrad, was ist nun?«, drängte Maria. Jetzt versuchte sie ihren Ärger nicht einmal zu übertünchen. »Die Zeit läuft uns davon!«
Das Schicksal gab ihm eine Chance. Nach Marias Angaben befand sich der Messias mit einigen seiner Handlanger im Bunker. Auch Ylva wurde dort festgehalten, das spürte er genau. Seine Gier verlangte nach ihrer Lebensenergie und drängte ihn zu ihr. Maria hatte unumstritten Recht: Eine bessere Gelegenheit zum Angriff würden sie nicht bekommen. Doch eine dunkle Vorahnung warnte ihn vor diesem Wagnis. Etwas Schlimmes würde passieren. Etwas, was er noch nicht vollends erfassen konnte.
Mit dem Daumen rieb Conrad über das kalte Metall der Waffe. »Adrián? Wie ist deine Meinung?«
Genau genommen brauchte er nicht zu fragen, das Rauschen der Gedanken, die Ungeduld, die der Nachzehrer buchstäblich ausstrahlte, ersetzten jede Antwort. Wo auch immer die Umstände dazu einluden, sprach sich Adrián stets für die Variante »Hau drauf« aus.
Auch jetzt fackelte der Mann nicht lange: »Es gilt, schnell zu handeln. Wer weiß, wie viele Spitzel wir in unseren Reihen haben. Das bedeutet, wir müssen unsere Pläne jetzt in die Tat umsetzen. Noch haben
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