Hexenseelen - Roman
fühlte sich kühl an, blassblau schimmerten die Äderchen an der Schläfe durch.
Sie beugte sich über den Körper, als das Geräusch über die Dielen kratzender Schuppen zu ihr drang. Etwas kroch von rechts auf sie zu! Ihre Ohren zuckten, um die Quelle des Geräuschs besser zu lokalisieren, noch bevor
sie aufgeschaut hatte. Alle ihre Instinkte schlugen Alarm. Sie warf den Kopf herum, gerade in dem Moment, als eine giftgrüne Schlange ihr mit einem Zischen entgegenschoss.
Es war seltsam, innerlich vor Schreck zu erstarren und gleichzeitig zu erleben, wie der eigene Körper automatisch zurückwich. Nur knapp entkam sie den Giftzähnen, die auf ihren Arm zielten. Aber noch war die Gefahr nicht gebannt. Die Schlange sammelte sich zu einem neuen Angriff.
Fauchend schnellte die Ratte vor. Das Tier stellte sich dazwischen, sichtlich angespannt und mit sich sträubendem Fell, während das Reptil das neue Opfer anvisierte. Vor und zurück, vor und zurück bewegte sich die gespaltene Zunge und witterte die Beute.
»Du dummes kleines Ding«, keuchte sie, ergriff den Nager am Nacken und brachte ihn und sich selbst in Sicherheit. »Dumm, aber tapfer. Danke.« Sie erlaubte der Ratte sogar, auf ihre Schulter zu krabbeln. Auf einmal fühlte es sich richtig, gar erfüllend an, den pelzigen Freund bei sich zu haben. Als wäre er ein Teil ihrer selbst.
Aus dem Augenwinkel beobachtete sie die Schlange, die den Weg aus der Wohnung versperrte. Doch das Reptil schien das Interesse an ihr und der Ratte verloren zu haben. Es rollte sich auf der Brust der Frau zusammen und versteifte sich, wie vom Blitzfrost erfasst. Beinahe so, wie die Ratte sich kurz zuvor versteift hatte, als sich der merkwürdige Kribbelanfall angebahnt hatte. Bedeutete das etwa …
In der nächsten Sekunde schüttelte ein Zittern den Körper der Unbekannten und ließ sie geräuschvoll um Luft ringen. Die Frau schlug die Lider auf, und etwas Speichel trat auf ihre Lippen. Dann ging der Krampf vorüber. Die Fremde ächzte und bewegte ihre Extremitäten. Es fiel ihr sichtlich schwer, ihre Gliedmaßen unter Kontrolle zu halten.
Der Nager fiepte schneidend, als stieße er eine Mahnung aus, und sie glaubte dem Kleinen: Diese Frau war keine Freundin.
»Wer bist du?« Ihre Stimme überschlug sich und klang beinahe so schneidend wie das Fiepen der Ratte. »Was geschieht hier?«
Die Frau drehte den Kopf und musterte sie, ohne sie wirklich zu sehen. Die blassgrünen Augen wirkten merkwürdig glasig. Als wäre die Frau blind.
Einige Minuten verstrichen. Dann stützte sich die Unbekannte mit dem Ellbogen ab und setzte sich auf, musste sich allerdings mit dem Rücken gegen eine Kommode lehnen.
»Wer bist du?«, wiederholte sie mit Nachdruck. Ihr Körper spannte sich an, und sie stellte verwundert fest, dass sie unwillkürlich eine Kampfhaltung angenommen hatte.
Die Frau züngelte wie ihre Schlange, die sich um ihren Arm wand und mit kaltem Blick die Fremden in ihrem Revier fixierte.
»Ich heiße Linnea.« Leise, seltsam berauschend und leicht lispelnd kam die Antwort. »Du brauchst nichts zu
befürchten, es ist alles gut. Hier bist du in Sicherheit.« Wieder schnellte ihre Zunge hervor und verschwand.
In Sicherheit? Von wegen! Dem Gespür der Ratte vertraute sie mehr als den sanften Worten. »Warum war ich in einem Käfig eingesperrt?«
Die Frau legte den Kopf leicht schräg. Erneut tastete der glasige Blick sie von Kopf bis Fuß ab.
Ihr eigener Wunsch, hinter die kalte Fassade der Frau zu spähen, erweckte etwas Fremdes und Dunkles in ihrer Brust. Als wäre darin ein Klumpen Larven eingeschlossen, die sich regten und Fühler ausstreckten. Die Ratte quiekte, sprang eilends von ihrer Schulter auf den Boden und verdrückte sich in eine Ecke. Aber auch ohne die Reaktion des Nagers schrie alles in ihr danach, die dunkle Macht zu ersticken, bevor diese ihre Seele verschluckte und ihr Bewusstsein aussaugte. Doch sie tat nichts dergleichen, sondern trank von den Gefühlen der Frau, die ihr gegenübersaß. Diese schmeckten bitter und schal, fast glaubte sie, tatsächlich einen pelzigen Belag auf der Zunge zu spüren. Was sicherlich nur ihrer Fantasie zuzuschreiben war. Denn Gefühle durften nicht schmecken! Vor allem nicht fremde Gefühle.
»Du warst sehr krank. Ich musste Sorge dafür tragen, dass du dir selbst oder den anderen keinen Schaden zufügst. Ich freue mich zu sehen, dass es dir bessergeht.« Ein Lächeln umspielte die dünnen Lippen. Nein, die Unbekannte log
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