Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
alten Leintuch als Zelt darüber, in das man sich jede Nacht aus seinem Zimmer schleicht, heimlich und mit dem Bettzeug unterm Arm, und aus dem man jedes Mal nach drei Stunden wieder reumütig in sein Bett zurückkehrt, weil einem so gruselt vor den unheimlichen, fremden Nachtgeräuschen im Freien und den Spinnen und Käfern, die einem übers Gesicht krabbeln könnten, nur in der letzten Nacht nicht, da schläft man tatsächlich draußen im Garten und wird erst von einem leichten Morgenregen geweckt, und man hat Erde zwischen den Zähnen und jede Menge Insektenbisse im Gesicht, aber man fühlt sich als Held, verflucht, welcher Sommer könnte ein größeres Abenteuer sein!
Wagner ließ sich in die Wiese fallen, unter den Lederapfelbaum,der da stand und mehr als ein halbes Leben später immer noch die Stellung hielt, als hätte er auf Wagner gewartet. In diesem Garten, der sich in den letzten beiden Jahren tatsächlich in einen Urwald zu verwandeln begann.
Man sollte den Dingen vielleicht überhaupt viel mehr ihren Lauf lassen, überlegte Wagner. Abwarten und zuschauen, was geschieht. Im Garten. Im Leben. Was abstirbt, stirbt ab, was austreibt, treibt aus, und am Ende wird alles gut. Und je länger er so in der Wiese lag und über alles nachdachte, in den Augen nichts als Baumgrün und Himmelblau und den Kindersommergeruch in der Nase, desto besser gefiel ihm, was er dachte.
Es lief ja auch heute wirklich alles bestens für ihn. Und nichts davon hatte er geplant oder irgendwie beeinflusst. Weder Christinas Besuch, noch, dass sie ihm offenbar wieder vertraute, ihn vielleicht sogar mochte, und schon gar nicht, dass er Christina schon heute von den neuesten Fortschritten würde berichten können, die es bei der Suche nach den beiden Mädchen gab.
Dabei hatten ihm die Kollegen zuerst einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Nachdem der Regen aufgehört hatte und der Baulärm unter seiner Wohnung unerträglich geworden war, hatte sich Wagner doch kurz entschlossen wieder mit dem Fahrrad auf den Weg zu seinem Elternhaus gemacht. Unterwegs hatte er dann überlegt, ob es vielleicht doch klüger wäre, heute nicht bei seiner Mutter aufzukreuzen, nach der ganzen Aufregung und dem Kummer, den sie einander gestern bereitet hatten. Und als er gerade den Entschluss gefasst hatte, lieber einfach weiterzufahren und den Tag für eine kleine Radtour zu nützen, hatte er in einiger Entfernung ein Polizeifahrzeug gesehen, das in die Straße einbog, in der seine Mutter wohnte. Um Himmels Willen, hatte er gedacht, nicht schon wieder! Welche Verrücktheit hatte sich seine Mutter denn nun wieder geleistet? Oder war ihr gar etwas zugestoßen, hatten Nachbarn die Polizei alarmiert?
Wagner hatte erleichtert aufgeatmet, als er ein paar Minuten späterbeim Haus seiner Mutter eingetroffen war. Kein Polizeiwagen vorm Gartentor. Die Kollegen waren offenbar weitergefahren. Und aus reiner Neugier war auch Wagner weitergeradelt und in die nächste Straße eingebogen. Nichts. Doch eine schmale Querstraße weiter hatte er sie dann gesehen. Drei Polizeifahrzeuge vor einem Grundstück. Und die Straße hatte Wagner natürlich gekannt. Es war der Gartenweg. Und da wohnte Karl M., der „Frankenstein vom Gartenweg“, da wohnte Karl Moser. Also doch. War der Druck durch die Öffentlichkeit also tatsächlich so groß geworden, dass sich die Kollegen zu einer Überprüfung gezwungen gesehen hatten?
Sei froh, dass du Urlaub hast, hatte Cerny, der Dienststellenleiter, zu Wagner gesagt und ihn davon abgehalten, ins Haus zu gehen. Das ist eine ziemliche Scheiße hier, die musst du dir nicht anschauen. Wenn ich vor einer Stunde gewusst hätte, was uns hier erwartet, hätte ich nicht zuerst die beiden jungen Kolleginnen hergeschickt, damit sie eine Routinekontrolle durchführen. Wirklich reine Routine, hab ich gedacht. Kurz bei dem alten Mann nach dem Rechten sehen, nachdem der weiß der Teufel wievielte anonyme Anrufer behauptet hat, dass er die beiden vermissten Mädchen ein paar Mal hier in der Gegend gesehen hat. Schaut euch ein bisschen um, hab ich gesagt, schreibt ein Protokoll und dann ist hoffentlich endlich Schluss ist mit diesen Verdächtigungen. Und jetzt das! Der reinste Horror, kann ich dir sagen. Die Kolleginnen sind völlig fertig mit den Nerven. Und mir hat’s auch fast den Magen umgedreht, wenn ich ehrlich bin. So eine verdammte Scheiße, also wirklich.
Die Mädchen? hatte Wagner gefragt.
Nein, hatte Cerny geantwortet. Keine Spur von den
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