Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Mädchen. Aber Moser ist tot. Muss schon seit weiß wie lang tot in seinem Bett liegen. Und ich sag dir, so wie es ausschaut, hat der sich umgebracht. Muss irgendwas geschluckt haben. Liegt da, als hätteer sich selber aufgebahrt. Hat die Augen weit aufgerissen und macht ein Gesicht, als würde er grinsen. Als würde er uns alle noch als Toter auslachen. Scheußlich, sag ich dir. Und in seiner Hand hält er einen Zettel, auf dem steht so was wie „Gottes Zorn“ und „Mein Haus ist die Hölle“ und „Sucht die Kinder des Teufels“ oder so ähnlich. Unterschrieben mit „Doktor Frankenstein“. Der Mann ist verrückt geworden, wenn du mich fragst. Und das Zimmer ist total versaut, alle Wände mit Kot beschmiert, und es stinkt, das kannst du dir nicht vorstellen. Wie gesagt, sei froh, dass du damit nichts zu tun hast. Für uns fängt die Arbeit jetzt erst richtig an. Das ganze Haus durchsuchen und so, du kennst das ja. Unsere lieben Freunde vom Landeskriminalamt rühren ja erst dann einen Finger, wenn wir fast die ganze Arbeit schon gemacht haben. Also dann, Klaus, schönen Urlaub. Falls wir dich brauchen, melde ich mich.
Unglaublich, dachte Wagner, da macht man sich verrückt, nur weil Mutter manchmal nicht mehr ganz richtig tickt, und ein paar Häuser weiter spielt sich die wirkliche Tragödie ab. Denn dass der Fall irgendwie tragisch ist, das ist ja wohl offensichtlich. Obwohl man jetzt natürlich noch gar nichts Genaues wissen kann. Aber wenn sogar einer wie Cerny Nerven zeigt, den gewöhnlich nichts so schnell umhauen kann, dann muss die Geschichte schon richtig übel ausschauen. Scheißjob, den wir Polizisten haben, wirklich. Und die Zeitung wird natürlich jubeln, wenn sie davon Wind bekommt. Wird behaupten, wenn sie nicht den alten Fall Moser ausgegraben hätte, wäre die Polizei nie auf die Idee gekommen, Mosers Haus zu überprüfen, und dann hätte man Mosers Leiche wahrscheinlich wochenlang nicht entdeckt. Und im Grunde stimmt das ja auch, verfluchter Mist! Wenn er es sich recht überlegt, muss er den Zeitungsheinis sogar noch dankbar sein. Denn ohne ihr Geschmiere würde er heute nicht so gut vor Christina dastehen können. Kein Nachteil ohneeinen Vorteil, es ist wirklich zum Lachen. Natürlich wird er Christina nicht alles erzählen. Wird ihr die unappetitlichen Details ersparen. Wird die Geschichte auf den Punkt bringen, der für Christina offenbar der wichtigste ist und der sie beeindrucken wird: Dass die so genannte Sexbestie schon seit einiger Zeit tot ist, dass in seinem Haus keine Spur von den Mädchen zu sehen war, und dass die polizeilichen Ermittlungen mit Hochdruck laufen. Das sind doch gute Neuigkeiten, oder? Auf die Polizei ist eben doch Verlass. Du siehst, kein Grund zur Panik, Christina. Alles wird gut.
Wagner setzte sich auf und zog sein T-Shirt aus. Es war in der regennassen Wiese am Rücken feucht geworden und hatte ein paar Grasflecke abbekommen. Vor fünfzig Jahren wäre
das
eine Tragödie gewesen. Mutter hätte daraus ein Drama gemacht, und von Vater wäre er mit tagelanger Verachtung, mit Schweigen und beleidigten Blicken dafür bestraft worden, dass er auf seine Sachen nicht aufpasste. Wie damals, als sie die Schmutzflecke in der Bettwäsche entdeckt hatten, mit der er heimlich sein Nachtlager im Garten aufgeschlagen hatte. Die gehen nie wieder raus, hatte Mutter gejammert. Und Vater hatte erklärt, dass er von ihm zutiefst enttäuscht sei, weil er die Situation ausgenutzt habe, um solche Blödheiten anzustellen, statt Mutter zu helfen und sich um Julia zu kümmern. Einen nichtsnutzigen Lümmel hatte ihn Vater genannt und hinzugefügt, dass er nun andere Seiten aufziehen werde, jetzt, wo er wieder zurück sei aus dem Krankenhaus. Und das war dann auch das abrupte Ende seines großen, glücklichen Urwaldsommers gewesen, denn Vater hatte wieder die Herrschaft übernommen, über den Garten, über das Haus, über alles.
Nie wieder, dachte Wagner. Nie wieder! War er denn nicht endlich alt genug, um sich davon zu befreien, Sohn zu sein? Verdammt noch einmal, das war er! Wagner ließ sich wieder auf den Rücken fallen, streckte sich lang im Gras aus, grinste, kicherte,lachte und brach schließlich in ein trotziges Triumphgeheul aus und trommelte mit seinen Fäusten und Fersen auf den Boden. Am liebsten hätte er sich wie ein junger Hund im Gras gewälzt und dann an jeden Baumstamm und hinter jeden Strauch gepinkelt, und so den Garten wieder in seinen Besitz genommen. Den Garten, der
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