Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Widerwillen, diese Abneigung gegenüber Kindern.
Es ist verrückt, dachte Wagner. Wenn Julia nie geboren worden wäre, dann wären er und Christina sicher zusammengeblieben, und sie hätten jetzt ein Kind. Und wenn Christina ihr Kind nicht verloren hätte, dann wären er und Christina jetzt nicht wieder zusammengekommen. Ein totes Kind, das sie getrennt hat. Ein totes Kind, das sie wieder zusammengebracht hat. Immer sind es tote Kinder, die sein Leben bestimmen.
Wagner spürte seine rechte Hand nicht mehr. Der stechende Schmerz in seiner Schulter zog sich bis zum Nacken hinauf und begann sich über den ganzen Rücken auszubreiten. Jetzt konnte Wagner nicht mehr anders, als seinen Arm langsam und vorsichtig unter Christinas Kopf hervorzuziehen. Dann drehte er sich auf die andere Seite. Dann auf den Rücken, dann wieder auf die Seite. Und während Christina hinter ihm leise zu schnarchen begann, zählte er wieder die Sekunden zwischen den Lichtern, die über die Zimmerwände huschten und über das Bild des traurigen Clowns.
L iebes Tagebuch! Heute hat der Pauli der in der Klasse hinter mir sitzt wieder gesagt, dass ich stinke weil ich mich nicht wasche. Da habe ich dem Pauli mein Lesebuch voll auf den Kopf gehaut und der Pauli hat gesagt, dass er das seinem Papa sagen wird weil der Polizist ist und der wird mich dann einsperren. Aber die Frau Lehrerin hat gesagt, dass das gar nicht stimmt und dass ich Recht gehabt habe dass ich mich gewehrt habe und dass der Pauli nicht dauernd so blöde Sachen zu mir sagen soll. Am Nachmittag wollte ich wieder mit dem Fahrrad zu dem Haus von dem Totmacher fahren weil ich gehofft habe, dass Sandra und Daniela auch dort sind. Aber sie waren leider nicht da nur ganz viel Polizei und da hab ich mich dann nicht hingetraut. An der Straßenecke hat mich ein Mann aufgehalten und gefragt, ob ich die Freundin von Sandra und Daniela bin weil er mich schon ein paar Mal mit ihnen gesehen hat. Der Mann war schon alt, sicher zwanzig oder so und er hat einen ganz langen schwarzen Mantel angehabt und schwarze Stiefel und lauter silberne Ringe im Gesicht. Das Gesicht war ganz weiß und er hat überhaupt keine Haare gehabt. Irgendwie hat das komisch ausgeschaut aber auch voll super. Er hat mich gefragt ob ich weiß wo Sandra und Daniela sind und ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht weiß und dass ich ganz traurig bin deswegen und dass ich Angst habe, dass ich sie nicht mehr sehen werde. Der Mann hat gesagt, dass ich keine Angst haben muss weil Sandra und Daniela vom Santan beschützt werden und dass der Santan auch mich beschützt, weil ich das Zeichen vom Santan auf der Wange habe und dass das ein Feuerzeichen ist und dass es makische Kräfte hat und vielleicht kann ich damit sogar Feuer machen und Sachen zum Brennen bringen später einmal. Er hat auch gesagt, dass der Santan stärker ist als alle, nämlich
überhaupt der Stärkste auf der ganzen Welt hat er gesagt, und dass einem deshalb nichts passiert wenn man der Freund vom Santan ist. Und dann hat er gesagt, dass er jetzt mein Freund ist, weil wir alle Freunde vom Santan sind, auch die Sandra und die Daniela, aber dass das unser Geheimnis ist. Dann hat er gesagt, das er irgendwie spürt dass Sandra und Daniela ganz in der Nähe sind er weiß nur nicht wo. Und dann hat er gesagt, dass er Santan bitten wird, dass Sandra und Daniela bald wieder da sind und dann werden alle Freunde vom Santan ein Fest feiern und ich darf auch dabei sein. Das wird sicher voll super und ich bin voll froh, dass ich die Freundin vom Santan bin.
Freitag
V erwesungsgeruch. Von irgendwoher kam beißender, scharfer Verwesungsgeruch. Wagner stieß den Spaten zwischen die Wurzeln des Holunderstrauchs und ließ ihn dort stecken. Dann machte er die Augen zu, sog vorsichtig die Luft ein, drehte den Kopf langsam von links nach rechts und versuchte herauszufinden, aus welcher Richtung dieser widerliche Geruch kam. Schließlich packte er wieder den Spaten und ging zielstrebig, weiter wie ein Spürhund schnüffelnd, auf das Gestrüpp zu, das im hinteren Teil des Gartens wucherte. Mit jedem Schritt wurde der Gestank intensiver. Wagner bog mit dem Spaten ein paar Zweige zur Seite, und dann sah er auch schon die Ursache des bestialischen Gestanks: ein totes Eichkätzchen, über das sich bereits ein Heer von Ameisen hergemacht hatte. Ein ziemlich Ekel erregender Anblick. Wagner spürte ein heftiges Würgen im Hals.
Im ersten Augenblick wusste er nicht, wie er den Kadaver
Weitere Kostenlose Bücher