Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Fall das tun, was normalerweise seine Pflicht wäre. Denn er wusste natürlich, worauf das unweigerlich hinausliefe.
So so, Herr Kollege Wagner. Das ist ja hochinteressant, Herr Kollege Wagner, was Sie uns da erzählen. Richtig spannend ist das sogar, Herr Kollege Wagner. Die beiden Mädchen haben also zuerst Ihre alte Frau Mutter gequält, aus reiner Langeweile oder weil sie bei irgendeiner teuflischen Sekte waren oder einfach pervers veranlagte Teenager, wie Sie sagen, und dann haben sie sich sinnlos betrunken, sind im Vollrausch über die steile Treppe in den Keller gestürzt und dort unten an ihren Verletzungen gestorben, und Sie haben von all dem fast zwei Wochen lang nichts bemerkt – haben wir das so richtig zusammengefasst, Herr Kollege Wagner? Und Ihre Frau Mutter hat Ihnen nichts erzählt, weil sie Angst davor hat, dass sie sonst in ein Altenheim kommt, ist das korrekt, Herr Kollege Wagner? Ach ja, und davor haben die Mädchen auch mit dem alten Herrn Moser vermutlich irgendwelche Spiele getrieben, satanische Rituale, wie Sie das nennen, die für ihn tödlich geendet haben, richtig, Herr Kollege Wagner? Und diesen Verdacht haben Sie schon die längste Zeit gehabt, und deshalb haben Sie sich sogar während Ihres Urlaubs auffallend intensiv mit dem Fall Moser beschäftigt und Ihren Dienststellenleiter immer wieder gedrängt, in diese Richtung zu ermitteln, weil Moser ja auch als Täter in Frage kommen könnte, aber gleichzeitig haben Sie äußerst vehement die Ansicht vertreten, dass die Mädchen sicher nur harmlose Ausreißerinnen seien, nach denen man nicht extra fahnden müsse – und das alles, während die Mädchen schon die längste Zeit tot in Ihrem Keller gelegen sind, wovon Sie aber überhaupt nichts bemerkt haben – das wollenSie uns doch sagen, Herr Kollege Wagner? Ja? Haben wir Sie richtig verstanden, Herr Kollege Wagner? So, Herr Kollege Wagner, und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie wären an unserer Stelle, was Ihnen als Polizist wohl nicht so schwer fallen dürfte. Würden Sie diese Geschichte glauben? Ganz ehrlich, Herr Kollege Wagner, würden Sie auch nur ein einziges Wort davon für wahr halten?
Die Schlagzeilen in den Zeitungen wollte er sich erst gar nicht vorstellen. Als neues Monster die Nachfolge Mosers anzutreten und die Titelseiten zu schmücken, auf dieses Vergnügen konnte er gern verzichten.
Aber selbst wenn die Ermittlungen beweisen würden, dass alles ganz genau so abgelaufen war, wie er es geschildert hatte, was wäre dann? Wie würde Christina reagieren? Wagner konnte sich ihr Entsetzen vorstellen, ihren Schock darüber, dass sie den Garten genossen hatte, während nebenan im Keller die Leichen der Mädchen lagen. Und dann? Eine gemeinsame Zukunft oder dass Christina jemals mit ihm in diesem Haus wohnen würde? Das könnte er vergessen. Ein für alle Mal. Christinas Vertrauen zu ihm wäre dahin. Vermutlich würde sie ihn sogar hassen.
Wagner sah dem Zigarettenrauch nach, der durchs offene Seitenfenster abzog und sich draußen in der Dunkelheit auflöste. Er zog noch ein paar Mal an der Zigarette, und als sie bis zum Filter heruntergebrannt war, beobachtete er, wie die Glut langsam von selbst erlosch. Er schnippte den Stummel aus dem Fenster und zündete sich eine neue an. Seine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und wenn er mit nach oben gerecktem Hals in den Rückspiegel über der Windschutzscheibe blickte, sah er schemenhaft ein Stück vom Gesicht eines Mannes, den er kannte, und der ihm trotzdem fremd war. Würde er diesem Mann vertrauen, wenn der ihm seine Unschuld beteuerte?
In diesem Augenblick wusste Wagner: Es konnte nur eine einzige Lösung geben. Die toten Mädchen mussten verschwinden. Spurloswie der Rauch seiner Zigarette in der schwarzen Nachtluft.
Er dachte an die Ameisen. Waren die jetzt nicht seine Verbündeten? Irgendwo hatte er einmal etwas über Ameisenvölker gelesen, die einen Menschen innerhalb weniger Tage bis aufs Skelett abnagen können. Aber solche Menschenfresserameisen gab es sicher nur im Amazonasgebiet, da konnten die europäischen Wald- und Wiesenameisen nicht mithalten. Die Ameisen im Keller würden wahrscheinlich mindestens ein halbes Jahr für die Mädchen brauchen, und so viel Zeit hatte er nicht.
Alle anderen simplen Methoden, die Toten zu beseitigen, waren zu unsicher. Jede einfach vergrabene oder in einem See versenkte Leiche würde früher oder später entdeckt werden, und mit diesem Risiko wollte er auf
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