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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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ist’s, das sag ich freiweg … dass der Vater von ihr das Haus gekauft hat … für sie, dass sie ein Unterkommen haben, der Kinder wegen.«
    In das Schweigen, das nach ihren letzten Worten entstand, drangen die Schlusstakte eines Kammermusikstückes aus dem Radio. Haydn. Danach vermeldete eine mitfühlende Frauenstimme, dass die Hitze erhalten bliebe. Es folgten Staumeldungen. Dann Telemann. Schielin wäre gerne sitzen geblieben. Ihm graute vor der stickigen, klebrig-heißen Wand, die draußen seiner harrte.
    »Haben Sie eine Vorstellung darüber, wo Frau Kohn sein könnte? Ich meine, gäbe es jemanden, oder besser, gibt es einen Ort, an dem sie sich besonders gerne aufgehalten hat?«
    Erna Kinkelin saß entspannt im Stuhl und betrachtete die Hände, die sie flach auf dem Tisch liegen hatte. Sie schien Schielins Frage wie aus der Ferne zu hören.
    »Am See war sie halt gerne. Im Sommer ist sie immer mit dem Rad zum Baden gefahren. Das Eichwald draußen war nicht so ihre Sache. Sie war oft im Aeschacher Bad, gleich am Bahndamm. Ist da immer tüchtig geschwommen. Bis hinüber zum Hexenstein und wieder zurück.«
    »Hexenstein?«, fragte Lydia Naber.
    »Ja. Der große Hexenstein. Der ist ja nur ein paar Meter vom Uferweg der Hinteren Insel entfernt. Das ist ein ganz schönes Stück zu schwimmen, aber es ist ja auch nicht ganz so tief dort. Im Römerbad war sie auch öfter mal, aber mehr so zum Sonnenbaden. War ja immer so braun.«
    »Und sonst … so außerhalb von Lindau. Da wissen Sie von keinem Ort, an dem sie Freunde oder Bekannte besucht hat?«, wollte Schielin wissen.
    Erna Kinkelin schüttelte den Kopf.
    »Und die Tochter«, fragte Lydia Naber, »wissen Sie was von der Tochter?«
    »Nein. Nur, dass es eine Tochter gibt. In Kanada. Aber die war noch nie auf Besuch hier und sie …«, Erna Kinkelin sah nachdenklich zur Decke, »nein, die beiden waren nie da drüben. Wenn sie mal weggefahren sind, dann ins Tessin oder Südtirol, aber immer nur so eine Woche, ganz selten zwei Wochen. Der Garten ist ja auch so schön.«

    Schielin und Lydia Naber fiel vorerst nichts mehr ein und Erna Kinkelin verabschiedete beide, ohne sich dabei vom Stuhl zu rühren. Sie blieb vor ihrer aufgeschlagenen Zeitung sitzen und versank wieder in Gedanken. Draußen im Hof war von ihrem Mann nichts zu sehen. Die Stadeltüre stand halb offen. Im Nachbargrundstück blühten viele Blumen. Einsam sang eine Amsel in den schon ermatteten Morgen. Alles sah so friedlich aus.

    Schielin und Lydia Naber ließen das Auto stehen und gingen zu Fuß die Straße hoch. Lydia meinte: »Das war eine ganz schön ergiebige Zeugin. Wenn ich da an so manch anderes Gespräch denke … und sie kam mir gar nicht so eigenwillig vor, wie ich es nach deiner Erzählung erwartet hatte.«
    »Sie war ja heute auch ganz anders drauf. Völlig verändert. Das scheint sie ganz schön mitgenommen zu haben.«
    »Mhm. Aber sobald wir den Tatzeitpunkt eingrenzen können, müssen wir die zwei Alten schon nach einem Alibi fragen.«
    »Ja, das müssen wir«, antwortete Schielin versonnen und sah in den hellen Himmel.

    Erna Kinkelins Mann hatte gewartet, bis die beiden auf dem Weg nach oben verschwunden waren, und war dann ins Haus gegangen. Missmutig schlurfte er durch die Stube, wo seine Frau noch immer am Tisch saß.
    »Ich hab die Polizei noch nie mögen«, sagte er. Sie schwieg.
    »Noch nie«, legte er nach und schob einen Teller von einer Seite der Küchenplatte zur anderen.
    Als seine Frau immer noch nicht reagierte, fragte er: »Hast du es erzählt. Ich meine, hast du ihnen etwas gesagt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Man sagt nichts Schlechtes über die Toten.«
    Er schob den Teller wieder in die andere Richtung und schnaufte dabei. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Hände noch blutig waren und er schwarzrote Flecken am Porzellan hinterließ. »Ich hab sie noch nie mögen«, brummte er zur Spüle hin und ließ Wasser über die Hände laufen.
    »Hast auch allen Grund. Hast auch allen Grund dazu«, sagte sie, ohne den Blick vom Tisch zu nehmen. »Warst wieder im Wald, in der Nacht! Warst wieder unterwegs, gell. Ist oft in letzter Zeit, dass du in der Nacht unterwegs bist. Kannst es wohl nicht lassen!«
    Er schwieg.

    Lydia Nabers Handy klingelte. Es war Jasmin Gangbacher. Sie hatte alle bisher bekannten Namen überprüft. Auf Kohn gab es keinen Eintrag, ebenso wenig auf Kinkelin. Bei Haubacher allerdings waren Vorgänge in den Kriminalakten vermerkt. Jürgen Haubacher war

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