Hexenstein
mir eigentlich nicht vorstellen. Bei den wenigen Gelegenheiten, in denen ich beiden begegnet bin, da war sie ihm gegenüber sehr reserviert, sehr sachlich. Nein, also … diese Frau hätte sich auch niemals mit Kohn eingelassen«, er lachte, »nein, nein, nein.«
»Wieso denn nicht?«, fragte Schielin.
»Eine andere Welt! Sie haben diese Frau doch gesehen. Gundolf Kohns Qualität bestand darin, alte Bücher auf höchstem Niveau restaurieren zu können, dazu war er auf der Welt. Er interessierte sich auch für nichts anderes. Diese Nora Seipp passt da einfach überhaupt nicht rein. Seine Frau schon eher.«
Schielin kehrte noch einmal zurück. »Aber das mit Nora Seipp? Gänzlich ausschließen … das würden Sie nicht tun, oder? Denn es ist so – es gab keine anderen Gelegenheiten, in denen Gundolf Kohn eine andere hätte kennenlernen können. Jedenfalls ist uns bisher nichts darüber bekannt geworden.«
Beat Brüggi atmete lange und gequält aus. »Ausschließen kann ich natürlich nichts, schon gar nicht gänzlich … und es stimmt – die beiden lebten da draußen im Grunde genommen wie in einem selbst gewählten Gefängnis, sehr für sich, sehr isoliert.«
»Das Ehepaar Kohn ging ab und an in Konzerte und Theatervorstellungen, danach zum Essen – mit einem leger befreundeten Ehepaar hier aus Lindau«, warf Schielin ein.
»Ich weiß davon. Es waren sicher grässliche Abende für Herrn Kohn.«
»Wüssten Sie denn einen Grund für diese Zurückgezogenheit?«
Beat Brüggi lehnte inzwischen locker im Stuhl. »Nein, aber ich muss mich wieder korrigieren. Nicht sie lebten dort wie in einem Gefängnis, sondern: sie – Frau Kohn lebte wie in einem Gefängnis. Er war damit zufrieden. Für ihn war es genau so, wie er es wollte. Alles in dem Haus war genau so, wie er es wollte. Das zumindest ist meine Einschätzung. Ich hatte nur bei einigen Essen die Gelegenheit mit ihr zu reden, eine sehr gebildete Frau … zurückhaltend, aber angenehm. Sie hatte etwas Geheimnisvolles, Entrücktes dadurch.«
»Mhm. Eine völlig andere Frage, Herr Brüggi. Kennen Sie einen gewissen Herrn Laurenz Brender?«
Beat Brüggi lachte kurz und höhnisch auf. »Ja. Seit Kurzem.«
Schielin sah ihn fragend an.
»Ach, dieser Herr Brender. Sehen Sie, es ist so. Ich handele nicht nur mit Büchern, ich liebe sie geradezu; ich liebe die Handwerkskunst daran und das, was sie uns erzählen. Es bereitet mir große Freude, alte Werke, Enzyklopädien, Erstausgaben, was auch immer, zwischen Liebhabern zu vermitteln, oder einem seltenen, in die Jahre gekommenen Buch einen guten Platz in einer Bibliothek zu verschaffen. Brender – ich meine den Vater von Laurenz Brender –, das war einer dieser Büchernarren, dieser Liebhaber. Wir haben über die Zeit einige Geschäfte miteinander gemacht. Sein Sohn hat mich vor einiger Zeit kontaktiert. Er hat nicht den geringsten Bezug zu dem großen Wert der elterlichen Bibliothek. Er will nur Kohle sehen, verstehen Sie. Es muss schlimm für den Vater gewesen sein, zu sehen, dass sein Sohn keinen Zugang zu dieser Welt, zu diesem immensen Kulturschatz hatte, der in den Regalen dieses schönen Hauses ruht.«
»Vielleicht war es auch schlimm für Laurenz Brender, sich nicht für die Dinge zu interessieren, die für seinen Vater eine so große Bedeutung hatten«, entgegnete Schielin.
»Jaja, das mag ja sein. Ich mag es nur nicht, wenn es nur ums Verscherbeln geht.«
»Ist es denn so?«
»Ja. Ich glaube dieser Laurenz Brender ist ein wenig … klamm.«
»Ach so«, sagte Schielin und ließ das letzte Wort lange nachklingen. »Wir haben festgestellt, dass Herr Kohn einen hohen Bargeldbetrag im Hause hatte. Fünfzehntausend Euro. Haben Sie eine Vorstellung, wofür er das Geld benötigt hat?«
Beat Brüggi schürzte nachdenklich die Lippen. »Also mit mir hat das nichts zu tun. Unsere Transfers laufen bargeldlos, wie übrigens fast alles in diesem Bereich. Ich habe keine …« Er stockte, als wäre ihm etwas eingefallen, verwarf es aber mit einem selbstvergessenen Kopfschütteln. »Nein, ich habe da keine Vorstellung.«
»Und diese Ahnung von eben?«
»Nur so ein dummer Gedanke.«
»Das sind meistens die interessantesten.«
»Na ja, ich dachte … vielleicht … aber das traue ich dem Kerl nun doch nicht zu … aber … dass vielleicht Laurenz Brender direkt mit Kohn Geschäfte machen wollte.«
»Sie meinen, das Geld hätte für ein Buchgeschäft mit Laurenz Brender bestimmt sein können?«
»Es war nur so
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