Hexenstein
Augen.
Kartenspiele
Während der Morgenbesprechung war deutlich geworden, wie verfahren die Situation war. Eine wirklich überzeugende Variante wollte keinem einfallen und die Spurenlage war verheerend schlecht, obwohl Wenzel im Keller drunten tat, was er konnte. Er versprach beim LKA nochmals Druck zu machen. Vielleicht fanden die ja etwas.
Auf dem Weg von der Spurenauswertung kam Lydia Naber an Erich Gommerts Büro vorbei. Hund, wie ihn alle nannten, lag unter dem Schreibtisch und beäugte sie aufmerksam. »Was hat denn die Hedwig gesagt, zum Hund?«, fragte Lydia Naber.
Erich Gommert sah überrascht auf. »Ja … nix.«
Lydia Naber schnaubte. »Ja wie … nix!?«
»Ja, nix. Gefreut hat sie sich halt, dass des Tierle sich hat streicheln lassen.«
»Des Tierle haart aber auch ganz schön … bei euren Polstermöbeln und so …?«
Gommi winkte ab. »Ach, des geht schon. Jetzt gehen wir erst emole zur Hundeerziehung, so wie sich des gehört und sonst … ist grad schön, wenn des Hundle so daliegt. Ich moin emole des spart einiges an Medizin.«
Lydia Naber gestand sich ein, vom friedlichen Ablauf etwas enttäuscht zu sein und holte Schielin ab, mit dem sie nochmals zu den Kinkelins fahren wollte. Danach sollte dieser komische Brender an die Reihe kommen. Schielin konnte sich nicht vorstellen, dass keiner der beiden Alten etwas gesehen oder gehört haben wollte. Und von diesem Brender wollten sie nun wissen, was er am Montag vor einer Woche gemacht hatte.
Erna Kinkelin war im Garten beschäftigt, als sie in den Hof fuhren. Sie sah kurz auf, registrierte, wer gekommen war und wendete sich wieder ihrer Arbeit zu. Ihr Mann tauchte kurz im Stadeltor auf, beobachtete mürrisch, wie die beiden ausstiegen, und verschwand im Düsteren des Stadels. Das Gespräch mit Erna Kinkelin war mühsam. Sie jätete, harkte, schnitt, lief zwischendurch immer wieder zum Stadel, um Draht zu holen oder einen Bastfaden. Es war deutlich, dass ihr die Fragerei lästig war und Neues war von ihr nicht zu erfahren. Immer wieder flüchtete sie sich in Phrasen und Allgemeinheiten, die mit der Angelegenheit, weswegen die beiden Polizisten gekommen waren, nichts zu tun hatten. Sie erzählte, dass man den Morgen nutzen musste, solange die Temperaturen noch erträglich waren, dass die Rosen trotz des harten Winters voller Knospen waren, oder war es gerade wegen des kalten Winters?
Es war ein mühsames Unterfangen. Schielin unterließ es in irgendeiner Weise Druck auszuüben. Es war die Konsequenz, mit der sie den Fragen aus dem Weg ging, die ihn dazu bewegte, es sein zu lassen. Frustriert fuhren er und Lydia Naber zu Brender. Nur gut, dass alles so nahe beieinander lag.
Brender sah schrecklich aus. Unter eingefallenen, blassen Augenhöhlen hingen breite, blauschwarze Erschöpfungsflecken, die durch den Kontrast zum bleichen Gesicht umso heftiger in Szene gesetzt wurden. Brender war unrasiert und unausgeschlafen. Er sah heruntergekommen aus. Wieder nahmen sie im Wohnzimmer Platz – Bücherwand, Ledergarnitur, Fenster. Ohne Umschweife kamen sie zur Sache und fragten, ob er mit Gundolf Kohn ein weiteres Büchergeschäft hatte abwickeln wollen, ohne die Vermittlungsdienste Brüggis in Anspruch zu nehmen. Brender wich zunächst aus, was unsinnig war, denn er war nicht in der Verfassung den beiden standzuhalten, und gleich darauf berichtete er resigniert von einigen Büchern, an denen Kohn Interesse gehabt hatte. Wie er sagte, hatte es noch Verhandlungsbedarf für den Preis gegeben. Konkret war es um astronomische Fachbücher aus dem 18. Jahrhundert gegangen und um einige Erstausgaben irgendwelcher berühmter Autoren. Schielin fand es erbärmlich, wie wenig Brender von dem wusste, was er zu Geld machen wollte. Lydia Naber fragte, welchen Preis er sich vorgestellt hätte und konnte ein spöttisches Lächeln nicht verhindern, als Brender von gut zwanzigtausend Euro sprach. Sie wusste, dass Gundolf Kohn ihm die Fünfzehntausend hingelegt hätte, wenn überhaupt, und dann: Vogel friss oder stirb! Und Brender hätte gefressen.
Schielin fragte nach dem letzten Montag. Der Kerl, so verlottert und kraftlos er hier im Ledersessel hing, war ihm zutiefst unsympathisch. Verscherbelte die Bücher seines Vaters und oben lag die kranke Mutter … wie Leichenfledderei kam es Schielin vor.
Brender hatte ein Alibi. Er war bei einer Frau Sälzle gewesen, deren Adresse sie sich notierten. Danach hatte er einen Termin beim Notar wahrgenommen.
Die Frage von Lydia
Weitere Kostenlose Bücher