Hexenstein
Versteck?«
»Wir haben oft darüber gestritten, dass er keinen Tresor oder so etwas Ähnliches hatte, wo er die wertvollsten Bücher hätte verwahren können. Ich war darüber ganz unglücklich. Er hat mir, wenn ich dieses Thema aufbrachte, immer nur lächelnd gesagt, dass er das nicht bräuchte, da das Haus über ein Versteck verfügte, welches besser als jeder Tresor wäre. Er meinte einmal auch, dass das nicht das einzige Geheimnis des Hauses sei. Könnten wir nicht rausfahren … und nachsehen?«
»Später«, entschied Schielin, dem Bücher nicht davonlaufen würden. Es war ihm bewusst, dass ab jetzt jede weitere Frage Brüggi quälen würde.
»Wie beurteilen Sie das Verhältnis des Ehepaars Kohn zueinander?«
Beat Brüggi rollte mit den Augen. »So oft war ich nun auch nicht im Hause Kohn.«
Schielin gab ihm mit dem Kopf ein Zeichen, dass er sich nicht zieren sollte.
Widerwillig begann er: »Also … Frau Kohn hielt sich immer sehr zurück. Sie war eine fantastische Köchin … sie hat ja lange Jahre in Frankreich verbracht … das merkte man schon. Prächtige Küche. Tja … was soll ich sagen«, er fixierte Schielin mit einem prüfenden Blick, »in den letzten Monaten, da war das schon etwas anders, das Verhältnis …«
»Und wie anders war es?«
»Also Sie müssen wissen, Gundolf Kohn war ein begnadeter Restaurator und aus diesem Grund stand ich in Kontakt zu ihm und schätze … schätzte ihn sehr. Er war in seinem Metier ein wahrer Künstler und hatte den nötigen Fanatismus, um zu den Besten zu gehören. Als Mensch aber war er eher schwierig.«
»Geht es konkreter?«
Brüggi zuckte mit den Schultern. »Er konnte ein ziemlicher Kotzbrocken sein. Er war penetrant auf Ordnung bedacht, ganz furchtbar. Ich habe nie etwas mit ins Haus genommen, er hasste es, wenn man etwas wohin legte. Aber gut, jeder hat seine Marotten. In letzter Zeit kam er mir allerdings verändert vor, nicht hinsichtlich seines deutschen Ordnungssinns, nein, er war auf eine herausfordernde Art aufgekratzt? So meinte ich ihn erlebt zu haben, ja.«
Schielin ließ den deutschen Ordnungssinn durchgehen und fragte: »Aufgekratzt … herausfordernd?«
»Ja. Ich meine damit einen euphorischen Zustand, der ganz und gar unangenehm auf die Umwelt wirkt, wegen einer Aggressivität, die dieser Gemütslage innewohnt. Wissen Sie, er gehörte nicht zu den Menschen, die in der Lage waren eine Freude mit anderen zu teilen. Es schien aber etwas zu geben, was ihn erfreute, auf ganz besondere Weise … es war seltsam.«
»Noch konkreter … haben Sie eine Ahnung?«
»Vielleicht. Dieser Zustand war für Frau Kohn sehr unerfreulich.«
»Inwiefern.«
»Ich musste leider miterleben, wie er sie in meinem Beisein beschimpfte und beleidigte. Übel. Wissen Sie, er war ja nicht gerade groß gewachsen, oder als stattlicher Mann zu bezeichnen … eher ein … ein kleiner Giftzwerg.« Dem Geschäftsmann Beat Brüggi war anzumerken, wie unangenehm es ihm war, derart über einen ehemaligen Geschäftspartner zu reden, der noch dazu ermordet worden war. »Sie wollten es also konkret.«
Schielin deutete Zustimmung an. »Sicher. Was meinen Sie, könnte der Grund für dieses Verhalten seiner Frau gegenüber gewesen sein?«
Beat Brüggi musste nicht überlegen. »Also ich habe mir einmal gedacht, er hat eine andere und will seine Frau durch dieses Verhalten wegekeln.«
»Mhm. Wie hat denn Frau Kohn auf dieses Verhalten reagiert?«
»Mit einer erschreckenden Gelassenheit. Das hat ihn glaube ich rasend gemacht, dass sie sich davon nicht hat beeindrucken lassen. Jedenfalls wirkte es so auf mich. Man kann aber natürlich nicht in einen Menschen hineinschauen. Sie tat mir leid.«
Für Schielin war das, was Brüggi da gesagt hatte, durchaus interessant. »Kennen Sie Frau Nora Seipp?«
»Die Rothaarige mit den grünen Augen?«
»Ja, die.«
Brüggi schmunzelte. »Na ja … kennen … ich habe sie einige Male im Haus Kohn gesehen. Sie lernte bei ihm, kam aus dem Bereich Kultur- oder Kunstwissenschaft, soweit ich mich erinnere. Sie war sehr interessiert und hat gute Arbeiten geliefert, wirklich …«
»Könnte sie der Grund für Gundolf Kohns Verhaltensänderung gewesen sein?«
Beat Brüggi verneinte energisch. »Nicht Verhaltensänderung, das habe ich wohl falsch ausgedrückt. Kohn war grundsätzlich ein unangenehmer Mensch. In letzter Zeit war das Unangenehme jedoch weit in den Vordergrund getreten … Ihre Frage Frau Seipp betreffend … hm … das kann ich
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