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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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stellte ich mir zuerst vor, wie sie bestraft würden, ich stellte mir vor, wie sie Blut spuckten. Ich hatte damals nicht das nötige Wissen, um es mir genauer vorzustellen, aber es war der gleiche Prozeß, die gleiche Sache.«
    »Aber sie können doch eines natürlichen Todes gestorben sein, Rowan.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe es getan, Michael. Und dieselbe Macht führt mich, wenn ich operiere. Und dieselbe Macht hat mich geführt, als ich dich gerettet habe.«
    Er sagte nichts, wartete nur darauf, daß sie weiterredete. Das letzte, was er wollte, war ein Streit mit ihr.
    »Niemand weiß von all dem«, sagte sie. »Ich habe hier in diesem leeren Haus gestanden und geweint und laut mit mir selbst gesprochen. Ellie war meine engste Freundin auf der Welt, und nicht einmal ihr hätte ich es erzählen können. Und was habe ich getan? Ich habe versucht, durch die Chirurgie zum Heil zu finden. Ich habe mich für die brutalste, direkteste Methode der Intervention entschieden. Aber alle erfolgreichen Operationen der Welt können mich nicht vergessen machen, wozu ich imstande bin. Ich habe Graham getötet.
    Weißt du, in diesem Augenblick, als Graham und ich zusammen dort drinnen waren – ich glaube… ich glaube, ich erinnerte mich da an Mary Jane auf dem Spielplatz, und ich glaube, ich erinnerte mich an den Mann im Jeep, und ich glaube, ich glaube, ich hatte tatsächlich die Absicht, diese Macht wieder zu benutzen. Erinnern kann ich mich nur an die Arterie: Ich sah sie platzen. Aber ich glaube, ich habe ihn absichtlich getötet. Ich wollte, daß er starb, damit er Ellie nicht weh tun konnte. Ich habe dafür gesorgt, daß er starb.«
    Sie hielt inne, als sei sie sich dessen, was sie gerade gesagt hatte, nicht sicher oder als habe sie soeben erkannt, daß es wirklich die Wahrheit war.
    »Als ich von der Kraft deiner Hände las«, sagte sie, »da wußte ich, daß es stimmte. Ich verstand es. Ich wußte, was du durchzumachen hattest. Es gibt Geheimnisse, die uns vom Rest der Welt trennen. Man kann von den anderen nicht erwarten, daß sie einem glauben, obwohl sie es in deinem Fall mit eigenen Augen gesehen haben. In meinem Fall darf es niemand sehen, denn es darf nie wieder passieren…«
    »Ist es das, wovor du Angst hast? Daß es wieder passieren könnte?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie sah ihn an. »Ich denke an diese Toten, und die Schuld ist so furchtbar, daß ich kein Ziel und keine Absicht und keinen Plan habe. Sie steht zwischen mir und dem Leben. Und doch lebe ich, und ich lebe besser als irgend jemand, den ich kenne.« Sie lachte leise und verbittert. »Jeden Tag gehe ich in die Chirurgie. Mein Leben ist aufregend. Aber es ist nicht das, was es hätte sein können…« Wieder flossen ihre Tränen, und sie blickte ihn an, ohne ihn zu sehen.
    »Ich wollte dir das alles erzählen«, sagte sie. Sie war verwirrt und unsicher. Ihre Stimme brach. »Ich wollte… bei dir sein und es dir erzählen. Vermutlich, weil ich dir das Leben gerettet habe; vielleicht hat das irgend wie…«
    Jetzt konnte ihn nichts mehr daran hindern, zu ihr zu gehen. Langsam stand er auf und nahm sie in die Arme. Er hielt sie fest und küßte ihren seidigen Hals und ihre tränenbefleckten Wangen, küßte ihre Tränen. »Es war richtig so«, sagte er. Er löste sich von ihr, und ungeduldig zog er die Handschuhe aus und warf sie beiseite. Einen Moment lang schaute er auf seine Hände, und dann sah er sie an.
    Ein Ausdruck unbestimmten Staunens lag in ihrem Blick, und ihre Tränen schimmerten im Licht des Feuers. Dann legte er ihr die Hände auf den Kopf, fühlte ihr Haar, fühlte ihren Kopf und ihre Wangen, und er wisperte: »Rowan.« Und mit seiner Willenskraft befahl er all den willkürlichen, verrückten Bildern, zu verschwinden: Jetzt wollte er nur noch sie sehen, durch seine Hände. Und wieder erwachte dieses wunderbar umschlingende Gefühl, das schon im Auto gekommen und so schnell wieder verflogen war. Und mit einem Mal, als habe man ihm einen Schlag versetzt, kannte er sie, kannte die Ehrlichkeit ihres Lebens und seine Intensität, und er wußte, daß sie gut war, unbestreitbar gut. Auf die wirbelnden, wechselnden Bilder kam es nicht an. Sie entsprachen dem Ganzen, das er wahrnahm, und auf das Ganze, auf den Mut des Ganzen, kam es an.
    Er schob die Hände unter ihren Mantel, berührte ihren schmalen, schlanken Körper, so heiß, so köstlich unter seinen nackten Fingern. Er senkte den Kopf und küßte die Spitzen ihrer Brüste. So

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