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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bitte Sie folgendes zu verstehen: Die Akte über die Mayfair-Hexen würde normalerweise niemandem außer einem Mitglied unseres Ordens oder einem Mitglied der Familie Mayfair selbst anvertraut werden. Indem ich Ihnen dieses Material nun zeige, verstoße ich gegen unsere Regeln. Die Gründe für meinen Entschluß liegen auf der Hand. Gleichwohl möchte ich die kostbare Zeit nutzen, um Ihnen ein wenig über die Talamasca zu erzählen – wie wir arbeiten und welches geringe Quantum Loyalität wir im Austausch für unser Vertrauen von Ihnen in Anspruch nehmen möchten.«
    »Okay, machen Sie’s halblang. Gibt es Kaffee?«
    »Ja, natürlich«, sagte Aaron. Er hob eine Thermoskanne und einen Becher aus einem Fach in der Tür und begann, den Becher zu füllen.
    »Schwarz genügt«, sagte Michael. Ein Kloß stieg ihm plötzlich in die Kehle, als er die großen, stolzen Häuser der Avenue vorüber gleiten sah, die geräumigen Veranden und Kolonnaden und fröhlich gemalten Blendläden, den pastellfarbenen Himmel, umgarnt von einem Geflecht aus tastenden Ästen und leise flatternden Blättern. Unvermittelt kam ihm ein verrückter Gedanke: Eines Tages würde er sich einen Baumwollkreppanzug wie Lightner kaufen, und dann würde er auf der Avenue Spazieren gehen wie die Gentlemen aus vergangenen Tagen; stundenlang würde er flanieren, Biegung um Biegung, wie die Avenue den fernen Windungen des Flusses folgte, vorbei an all diesen anmutigen alten Häusern, die so lange überlebt hatten. Er fühlte sich berauscht, verrückt, wie er so vollkommen abgetrennt von der Welt hinter getönten Scheiben durch diese zerklüftete, wunderschöne Landschaft glitt.
    »Ja, es ist schön hier«, sagte Lightner. »Wirklich wunderschön.«
    »Okay, erzählen Sie mir von Ihrem Orden. Dank den Tempelrittern fahren Sie also in solchen Limousinen herum. Was weiter?«
    Lightner schüttelte mißbilligend den Kopf, und die Andeutung eines Lächelns spielte auf seinen Lippen. Aber er errötete auch wieder, was Michael gleichzeitig überraschte und amüsierte.
    »War doch nur Spaß, Aaron«, sagte Michael. »Los – wie haben Sie die Familie Mayfair überhaupt kennengelernt? Und was, zum Teufel, ist eine Hexe überhaupt, Ihrer Meinung nach? Hätten Sie was dagegen, mir das zu erklären?«
    »Eine Hexe ist eine Person, die unsichtbare Mächte an sich ziehen und binden kann«, sagte Aaron. »Das ist unsere Definition. Sie wird auch für Magier und Seher herangezogen. Wir wurden ins Leben gerufen, um Phänomene wie Hexen zu beobachten. Das alles begann in jenen Tagen, die wir heute das Finstere Mittelalter nennen, also lange vor den Hexenverfolgungen, wie Sie sicher wissen. Und es begann mit einem einzigen Magier, einem Alchimisten, wie er sich selbst nannte, der seine Studien an einem einsamen Ort aufnahm und alle Geschichten von übernatürlichen Dingen, die er je gehört oder gelesen hatte, in einem großen Buch sammelte. Sein Name und seine Lebensgeschichte sind einstweilen ohne Belang. Aber charakteristisch für seinen Bericht war der Umstand, daß er für seine Zeit merkwürdig weltlich abgefaßt war. Er war vielleicht der einzige Historiker, der jemals über das Okkulte, das Unsichtbare oder das Geheimnisvolle schrieb, ohne Vorurteile und Behauptungen über den dämonischen Ursprung von Erscheinungen, Geistern und so weiter zugrunde zulegen. Und von seiner kleinen Anhängerschar verlangte er die gleiche Unvoreingenommenheit. ›Studieret nur das Werk der sogenannten Bannbinder‹, pflegte er zu sagen. ›Maßet euch nicht an zu wissen, woher ihre Macht kommt.‹
    Wir halten es heute weitgehend immer noch so«, fuhr Aaron fort. »Dogmatisch sind wir nur, wenn es darum geht, unseren Mangel an Dogmatik zu verteidigen. Und obgleich wir groß und über die Maßen abgesichert sind, sind wir doch immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern, nach Menschen, die unsere Zurückhaltung und unsere langsamen, gründlichen Methoden respektieren, nach Menschen, die die Erforschung des Okkulten ebenso faszinierend finden wie wir, nach Menschen, die über außergewöhnliche Begabungen verfügen, wie Sie mit Ihren Händen… Als ich das erstemal von Ihnen las, wußte ich, das muß ich gestehen, nichts von irgendeiner Verbindung zwischen Ihnen und Rowan Mayfair oder dem Haus in der First Street. Was mir in den Sinn kam, war der Versuch, Sie anzuwerben. Natürlich hatte ich nicht vor, Ihnen das sofort zu sagen. Aber jetzt hat sich alles verändert; da werden Sie mir sicher

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