Hexenstunde
Spiel, das mußt du doch wissen! Dieses Wesen wird immer stärker, je mehr du darüber redest…«
Sie hieß mich schweigen. Ich spürte ihre Verachtung. Noch einmal bedrängte sie mich, die Juwelen zu nehmen. Unumwunden nannte sie mich einen Dummkopf, weil ich meine Fähigkeiten nicht zu nutzen wisse, und dann dankte sie mir, weil ich sie in eine Stadt gebracht hätte, wie sie sich eine Hexe nicht besser wünschen könne. Und sie lachte mit bösartigem Blick.
»Deborah, wir glauben nicht an Satan«, sagte ich. »Aber wir glauben an das Böse, und das Böse ist verderblich für die Menschheit. Ich bitte dich, sei auf der Hut vor diesem Geist. Glaube ihm nicht, was er dir über sich und seine Absichten erzählt. Denn niemand weiß, was diese Wesen in Wirklichkeit sind.«
»Schweig – du ärgerst mich, Petyr. Wie kommst du darauf, daß dieser Geist mir irgend etwas erzählt? Ich bin es, die zu ihm spricht! Lies nach in den Dämonologien, Petyr, in den alten Büchern von tobsüchtigen Pfaffen, die sehr wohl an den Teufel glauben, denn diese Bücher enthalten mehr wahres Wissen darüber, wie man diese unsichtbaren Wesen beherrscht, als du dir vorstellen kannst. Ich habe sie auf euren Borden stehen sehen. Das eine lateinische Wort kannte ich schon – Dämonologie -, denn solche Bücher hatte ich schon früher gesehen.«
In den Büchern standen Lügen und Wahrheiten neben einander, und das sagte ich ihr. Betrübt wollte ich mich abwenden. Noch einmal bedrängte sie mich, die Edelsteine zu nehmen. Ich weigerte mich. Da ließ sie sie in meine Tasche rieseln und drückte mir ihre warmen Lippen auf die Wange. Ich verließ das Haus.
Danach verbot Roemer mir, sie noch einmal zu treffen. Was er mit den Edelsteinen angefangen hat, danach habe ich nie gefragt. Die großen Schatzkammern der Talamasca haben mich nie sonderlich interessiert. Ich wußte damals nur, was ich noch heute weiß: daß meine Schulden bezahlt werden, daß ich Kleider bekomme, und daß ich Geld in der Tasche habe, um mir zu kaufen, was ich brauche.
Selbst als Roelant krank wurde – und das war nicht ihr Werk, Stefan, das versichere ich dir -, sagte man mir, ich dürfe Deborah nicht noch einmal besuchen.
Aber das Seltsame war, daß ich sie sehr oft an den unwahrscheinlichsten Orten gewahrte, allein oder mit einem von Roelants Söhnen an der Hand, wie sie mich von ferne beobachtete. So sah ich sie auf öffentlichen Straßen, einmal auch, wie sie am Hause der Talamasca unter meinem Fenster vorüberging. Und einmal, als ich Rembrandt van Rijn besuchte, saß sie nähend und mit Roelant an ihrer Seite bei ihm und musterte mich aus dem Augenwinkel.
Es gab Zeiten, da bildete ich mir gar ein, sie verfolge mich. Denn es kam vor, daß ich allein einherging und an sie dachte, mich an unsere ersten Augenblicke zusammen erinnerte, da ich sie gefüttert und gewaschen hatte wie ein Kind. Indes, ich kann nicht so tun, als wäre sie in diesen Gedanken wirklich ein Kind gewesen. Unvermittelt jedoch hielt ich dann im Gehen inne, wandte mich um – und da ging sie hinter mir her in ihrem schweren Samtmantel mit der Kapuze, und sie starrte mich an, bevor sie in eine andere Gasse einbog.
Einen Monat, bevor Roelant starb, zog eine junge Malerin von vorzüglichem Talent, Judith de Wilde, zu Deborah, und als Roelant verschieden war, wohnte sie zusammen mit ihrem alten Vater Anton de Wilde bei ihr.
Roelants Brüder nahmen seine Söhne zu sich aufs Land, und die Witwe Roelant und Judith de Wilde führten den Haushalt nun allein; sie sorgten mit großer Behutsamkeit für den Alten, führten aber zugleich ein Leben voller Fröhlichkeit und Abwechslung, denn das Haus stand von morgens bis abends offen für Schriftsteller und Poeten, Gelehrte und Maler, die Lust hatten, zu kommen, und für Judiths Schüler, die sie bewunderten, wie sie jeden männlichen Maler bewundert hätten, denn sie war nicht minder gut und gehörte der Gilde des Hl. Lukas an wie jeder Mann.
Roemers Edikt gehorchend, konnte ich nicht hinein in diesen Kreis. Aber oft kam ich vorbei, und ich schwöre dir, wenn ich nur lange genug draußen verweilte, erschien Deborah oben am Fenster, ein Schatten hinter der Scheibe. Manchmal sah ich nichts als das funkelnde Aufblitzen ihres Smaragdes, manchmal aber öffnete sie auch das Fenster und winkte mich vergebens herein.
Roemer selbst suchte sie einmal auf, aber ihn schickte sie weg.
»Sie glaubt, sie weiß mehr als wir«, stellte er traurig fest. »Aber sie weiß
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