Hexenstunde
tanzte sie… Wie ein Kind rang sie die Hände, und wieder lachte sie und warf das Haar in den Nacken. ›Siehst du ihn, mein Kind?‹ fragte sie, und ich sagte, daß ich ihn spürte und hörte, ganz nah bei mir.
Und wieder sprach er: ›Nenne mich bei meinem Namen, Suzanne.‹
›Lasher‹, sagte sie, ›der Peitscher – denn der Wind, den du schickst, peitscht das Gras, und er peitscht die Blätter von den Bäumen. Nun komm, mein Lasher, und mache einen Sturm über Donnelaith! Dann werde ich wissen, daß ich eine mächtige Hexe bin und daß du dies alles tust für meine Liebe!‹
Und als wir wieder bei unserer Hütte waren, heulte schon der Wind über die Felder und in unserem Kamin, und sie schloß die Tür. Am Feuer saßen wir und lachten wie zwei kleine Kinder. ›Siehst du, siehst du, ich hab’s geschafft‹, flüsterte sie. Und als ich ihr in die Augen schaute, da sah ich, was ich immer gesehen hatte und noch in ihrer letzten Stunde sehen sollte, daß sie Todesqualen litt: die Augen einer Närrin, eines dummen Mädchens, das lachte hinter vor gehaltener Hand, während die Finger der anderen die gestohlene Leckerei umklammerten. Es war ein Spiel für sie, Petyr. Es war ein Spiel!«
»Das sehe ich, Geliebte«, sagte ich.
»Und jetzt sag mir, es gibt keinen Satan. Sag mir, daß er nicht durch die Finsternis herbeikam, um seinen Anspruch auf die Hexe von Donnelaith zu erheben und sie ins Feuer zu führen! Es war Lasher, der für sie fand, was andere verloren hatten, Lasher, der ihr das Gold brachte, das sie ihr wegnahmen; es war Lasher, der ihr verräterische Geheimnisse anvertraute, die sie begierigen Ohren verriet. Und es war Lasher, der auf das Milchmädchen Hagel niedergehen ließ, das einen Streit mit ihr begonnen hatte; Lasher, der ihre Feinde für sie zu bestrafen suchte und damit ihre Macht allen kundtat! Sie konnte ihn nicht lenken, Petyr. Sie wußte ihn nicht zu benutzen. Und wie ein Kind, das mit der Kerze spielt, entfachte sie das Feuer, in dem sie verbrannte.«
»Begehe du nicht den gleichen Fehler, Deborah!« wisperte ich und küßte ihr Gesicht. »Niemand lenkt einen Dämon – denn das ist er.«
»O nein, er ist mehr als das«, sagte sie leise, »und du irrst dich sehr. Aber fürchte nicht um mich, Petyr. Ich bin nicht meine Mutter.«
Und dann saßen wir stumm vor ihrem kleinen Feuer, obgleich ich mir nicht vorstellen konnte, daß sie in seiner Nähe sein wollte; und als sie die Stirn an die Mauersteine darüber lehnte, küßte ich noch einmal ihre zarte Wange und strich eine lange, verirrte Strähne ihres feuchten schwarzen Haars zurück.
»Petyr«, sagte sie, »ich werde niemals in Hunger und Dreck leben wie sie. Niemals werde ich törichten Menschen auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert sein.«
»Heirate nicht, Deborah. Geh nicht fort! Komm mit mir. Komm zur Talamasca, und zusammen werden wir die Natur dieses Wesens ergründen…«
»Nein, Petyr. Du weißt, das werde ich nicht tun.« Sie lächelte traurig. »Du mußt mit mir kommen, und wir werden fortgehen. Sprich jetzt zu mir mit deiner geheimen Stimme, mit der du Uhren anhalten und Geister herbeikommen lassen kannst. Bleib bei mir, sei mein Bräutigam, und dann wird dies die Hexenhochzeitsnacht.«
Ich wollte tausendfach protestieren, doch sie legte mir die Hand auf den Mund und küßte mich dann mit solcher Hitze und Bezauberung, daß ich nur noch eines wußte: Ich mußte ihr die Kleider vom Leibe reißen, die sie umschlossen, und sie dort im Bett mit den grünen Vorhängen nehmen, diesen zarten Kinderkörper mit den Brüsten einer Frau und den Geheimnissen einer Frau, den ich einst gebadet und gekleidet hatte.
Warum quäle ich mich, indem ich dieses schreibe? Ich beichte meine alte Sünde, Stefan. Ich bekenne dir alles, was ich getan habe, denn ich kann ohne dieses Bekenntnis nicht von dieser Frau schreiben, und so fahre ich fort.
Nie habe ich das Ritual mit solcher Hingabe zelebriert. Nie habe ich solche Wollust und Süße gekannt wie bei ihr.
Denn sie glaubte, daß sie eine Hexe und somit böse sei, Stefan, und es war des Teufels Ritual, das sie hier mit solchem Eigensinn vollzog. Doch sie hatte ein sanftes und liebevolles Herz, das schwöre ich, und so war die Mischung in der Tat ein rares und machtvolles Hexengebräu.
Als ich mich am Morgen ankleidete, war ich müde und ohne Verlangen nach irgend etwas in der ganzen Christenheit außer nach ihrer Seele und ihrem Leib. Dennoch verließ ich sie. Ich wollte heimgehen und
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