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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gar als Hexe schildert sie niemand. Diejenigen, die zu Jeannes Lebzeiten mit der Talamasca Kontakt hatten, wußten nichts von der europäischen Herkunft der Familie.
    Entlaufene Sklaven flüchteten sich nicht selten zu Jeanne Louise und baten sie um Intervention bei grausamen Herren oder Herrinnen. Oftmals kaufte sie solche Unglückseligen ihren Besitzern ab und konnte sich von da an ihrer unverbrüchlichen Treue sicher sein. Sie war das personifizierte Gesetz auf Maye Faire und ließ mehr als einen Sklaven wegen Verrats hinrichten. Aber die Liebe der Sklaven zu ihr war wohlbekannt.
    Angelique war Jeanne Louises Lieblingskind, und sie betete ihre Großmutter Charlotte an. Als die alte Frau starb, war sie bei ihr.
    Ein wütender Sturm umtoste Maye Faire in der Nacht, in der Charlotte starb, und er ließ erst am frühen Morgen nach, als einer von Angeliques Brüdern tot aufgefunden wurde.
    Im Jahr 1755 heiratete Angelique einen sehr gutaussehenden und reichen Pflanzer namens Vincent St. Christophe und brachte fünf Jahre später Marie Claudette Mayfair zur Welt, die später Henri Marie Landry heiratete und als erste der Mayfair-Hexen nach Louisiana kam.
    Marie Claudette war außergewöhnlich schön und hatte ebenso große Ähnlichkeit mit ihrem Vater wie mit ihrer Mutter. Sie hatte sehr dunkles Haar und blaue Augen, und sie war über die Maßen klein und zierlich. Ihr Gemahl, Henri Marie Landry, war ebenfalls ein sehr ansehnlicher Mensch. Tatsächlich sagte man der Familie inzwischen nach, daß dort immer um der Schönheit willen, nie des Geldes und der Liebe wegen geheiratet werde.
    Was die Familie zu Lebzeiten Charlottes, Jeanne Louises, Angeliques und Marie Claudettes charakterisiert, sind Ansehen, Reichtum und Macht. Der Mayfairsche Reichtum war in der karibischen Welt legendär, und wer mit den Mayfairs in Streit geriet, sah sich oft Gewalttätigkeiten ausgesetzt, daß die Leute schon darüber redeten. Es hieß, es bringe »Unglück«, sich mit der Familie Mayfair anzulegen.
    Die Sklaven betrachteten Charlotte, Jeanne Louise, Angelique und Marie Claudette als mächtige Zauberinnen. Sie kamen zu ihnen, um sich von Krankheiten kurieren zu lassen, und sie glaubten, daß ihre Herrinnen »alles wüßten«.
    Aber es gibt kaum Hinweise darauf, daß irgend jemand außer den Sklaven diese Geschichten ernstnahm oder daß die Mayfair-Hexen unter ihresgleichen Mißtrauen oder »irrationale« Angst erweckten. Die herausragende Stellung der Familie wurde niemals in Frage gestellt. Man drängte sich nach Einladungen auf Maye Faire. Und die Familie lud oft und verschwenderisch ein. Ihre Männer und ihre Frauen waren auf dem Heiratsmarkt sehr begehrt.
    Die Männer der Familie versuchten niemals, Anspruch auf die Pflanzung zu erheben oder die Kontrolle über die Finanzen auszuüben, wenngleich ihnen nach französischem Recht beides zustand. Im Gegenteil, sie neigten dazu, die Dominanz der jeweils erwählten Frau zu akzeptieren, und Geschäftsdokumente wie Klatschgeschichten deuten darauf hin, daß sie ungeheuer reiche Männer waren.
    Während dieser ganzen Periode war die Familie katholisch. Sie unterstützte die katholische Kirche von Saint Domingue; ein Sohn Pierre Fontenays, Charlottes Schwager, wurde Priester, und zwei Frauen der Familie ließen sich zu Karmeliterinnen weihen. Die eine der beiden wurde zusammen mit allen anderen Mitgliedern ihrer Klostergemeinschaft während der Französischen Revolution hingerichtet.
    Das Geld der Familie wurde in all den Jahren, da ihr Kaffee und Zucker und Tabak nach Europa und Nordamerika strömte, nicht selten auf ausländischen Banken deponiert. Der Umfang ihres Reichtums war gewaltig – selbst für die Multimillionäre von Hispaniola -, und anscheinend hat die Familie stets ganz phantastische Mengen von Gold und Edelsteinen besessen. Dies ist ganz und gar nicht typisch für eine Pflanzerfamilie, deren Vermögen zumeist mit dem Land verknüpft ist und nur zu leicht dem Ruin zum Opfer fällt.
    Infolge all dessen überstand die Familie Mayfair die haitianische Revolution mit enormen Reichtümern, auch wenn ihr gesamter Landbesitz auf der Insel unwiederbringlich verlorenging.
    Es war Marie Claudette, die 1789, unmittelbar vor der Revolution, die dann die Familie zwingen sollte, Saint Domingue zu verlassen, das Vermächtnis der Mayfairs begründete. Ihre Eltern waren zu dieser Zeit bereits tot. Das Vermächtnis wurde – ebenfalls von Marie Claudette – nach der Ansiedlung in Louisiana

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