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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Endes der Familie zugute. Selbst ihr Streben nach Vergnügen fand seinen Ausdruck in den Wiedersehenstreffen, die der Familie halfen, näher zusammen zurücken und sich in wechselhaften Zeiten ein nachhaltiges Bild ihrer selbst zu bewahren.
    Stella hatte diese Liebe zur Familie nicht, und sie war auch nicht praktisch; sie hatte nichts gegen Verruchtheit, und sie liebte das Vergnügen. Aber der Schlüssel zum Verständnis Stellas liegt darin, daß sie auch nicht ehrgeizig war. Sie schien überhaupt nur wenige echte Ziele gehabt zu haben.
    »Lebe« – so hätte ihr Motto lauten können.
     
    FORTSETZUNG DER GESCHICHTE STELLAS
    Die Familienlegende und der Klatsch in Nachbarschaft und Pfarrgemeinde überliefern uns übereinstimmend, daß Stella völlig außer Rand und Band geriet, als ihre Eltern tot waren.
    Während Cortland und Carlotta sich wegen des Familienvermächtnisses und der Art und Weise, wie es zu verwalten sei, erbitterte Schlachten lieferten, begann Stella in der First Street skandalöse Partys für ihre Freunde zu geben; die wenigen, die sie 1926 für die Familie veranstaltete, waren nicht minder schockierend – angesichts von Schmuggelbier und -Bourbon, Dixielandbands und Leuten, die bis in den Morgen hinein Charleston tanzten. Viele der älteren Verwandten verließen diese Partys schon früh, und manche kehrten nie wieder in das Haus in der First Street zurück.
    Viele wurden auch nie wieder eingeladen. Zwischen 1926 und 1929 demontierte Stella nach und nach die ausgedehnten Familienbande, die ihre Mutter geschaffen hatte. Besser gesagt: Sie weigerte sich, sie weiter zu führen, und so zerfiel die Familie langsam. Eine große Zahl von Verwandten verlor den Kontakt zum Haus in der First Street überhaupt; sie zogen Kinder groß, die wenig oder gar nichts davon wußten, und ihre Nachkommen waren für uns die ergiebigste Quelle für Legenden und Anekdoten.
    »Es war der Anfang vom Ende«, sagte eine Cousine. »Stella wollte einfach nicht damit belästigt werden«, eine andere. Und eine dritte: »Wir wußten zuviel über sie, und das wiederum wußte sie. Sie wollte uns nicht mehr sehen.«
    Unser Bild von Stella aus dieser Zeit ist das einer sehr aktiven, sehr glücklichen Person, der ihre Familie weniger am Herzen lag als ihrer Mutter, die sich aber gleichwohl leidenschaftlich um viele Dinge kümmerte. Junge Schriftsteller und Maler vor allem interessierten sie, und zu Dutzenden kamen »interessante« Leute in die First Street, darunter Schriftsteller und Maler, die Stella aus New York kannte.
    Intellektuelle in großer Zahl bevölkerten Stellas Partys. Ja, sie wurde schick für Leute, die sich nicht scheuten, ein gesellschaftliches Risiko einzugehen. Die alte Garde der besseren Gesellschaft, in der Julien sich bewegt hatte, war ihr vom Wesen her nah – das behauptete zumindest Irwin Dandrich. Aber man muß bezweifeln, daß Stella das je wußte oder daß es sie kümmerte.
    Wir haben kein Material, das irgendeine individuelle Person mit Stella in Verbindung brächte, aber sie war sehr vertraut mit dem Boheme-Leben im French Quarter, sie besuchte die Kaffeehäuser und Kunstgalerien dort, sie brachte Musiker mit nach Hause in die First Street, damit sie dort für sie spielten, und mittellosen Dichtern und Malern standen ihre Türen offen, ganz so, wie es in New York gewesen war.
    Für das Hauspersonal bedeutete es das Chaos. Für die Nachbarn bedeutete es Skandal und Lärm. Aber Stella war keine verkommene Trinkerin, wie ihr angeblicher Vater es gewesen war. Im Gegenteil, trotz all ihres Alkoholkonsums wird sie nie als betrunken geschildert; sie scheint sich in dieser Hinsicht stets unter Kontrolle gehabt zu haben.
    Zur selben Zeit nahm sie die Neugestaltung des Hauses in Angriff; sie gab ein Vermögen für neue Farbe, Stukkatur, Draperien und zierliche, kostspielige Möbel im Art-Deco-Stil aus. Der große Salon war vollgestellt mit Topfpalmen, wie Richard Llewellyn es beschrieben hat. Ein Bösendorfer-Konzertflügel wurde gekauft, endlich (1927) wurde ein Aufzug eingebaut, und vorher wurde am hinteren Ende des Rasens ein riesiger Swimming-pool eingelassen, mit einer Badehütte an der Südseite, wo sich die Gäste duschen und umkleiden konnten, ohne erst ins Haus gehen zu müssen.
    Das alles – die neuen Freunde, die Partys, die Umgestaltung des Hauses – war ein Schock für die gesetztere Verwandtschaft; aber was sie eigentlich gegen Stella aufbrachte – wie uns später zugetragen wurde – war die

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