Hexenstunde
könnten sie auch? Sie morden. Es ist vorbei. Zumindest vorläufig.«
»Sie haben immer schon gemordet, Scott«, sagte ich matt. »Aber Deirdre Mayfair mordet nicht. Ich will mein Tagebuch.« Die Krämpfe wurden unerträglich. Der Arzt kam und bereitete eine Spritze vor. Ich lehnte ab.
»Aaron, er ist hier der Chef der toxokologischen Abteilung. Die Schwestern haben wir überprüft. Unsere Leute sind hier im Zimmer.«
Erst am Wochenende konnte ich ins Mutterhaus zurück.
Während meiner Genesung ging ich die ganze Geschichte der Mayfairs noch einmal durch. Ich revidierte manches, unter anderem die Aussage von Richard Llewellyn und einiger anderer, die ich gesprochen hatte, ehe ich Deirdre in Texas besucht hatte.
Ich kam zu dem Schluß, daß Cortland es gewesen war, der Stuart beseitigt hatte, und Cornell wahrscheinlich ebenfalls. Es war durchaus plausibel. Aber noch so vieles blieb geheimnisvoll. Wen oder was wollte Cortland mit diesen Verbrechen schützen? Und warum lag er in beständiger Fehde mit Carlotta?
Von Carlotta Mayfair hatten wir unterdessen gehört – ein wahres Sperrfeuer aus juristischen Drohbriefen hatte unsere Anwaltskanzlei in London erreicht. Wir sollten »davon ablassen«, in ihre »Privatsphäre« einzudringen, wir hätten »umfassend offen zulegen«, was wir über sie und ihre Familie in Erfahrung gebracht hätten, und wir müßten einen Sicherheitsabstand »von einhundert Yards zu jedem Mitglied unserer Familie sowie jeglichem Familieneigentum einhalten« und dürften »keinerlei Versuch unternehmen, einen Kontakt gleich welcher Art mit Deirdre Mayfair aufzunehmen« – und so weiter und so fort bis zum Überdruß: Keine dieser Drohungen und Forderungen hatte juristisch auch nur die geringste Verbindlichkeit.
Unsere Anwälte bekamen die Anweisung, nicht zu antworten.
Wir erörterten die Angelegenheit mit dem ganzen Rat.
Wieder einmal hatten wir versucht, Kontakt aufzunehmen, und waren zurückgewiesen worden. Wir würden weiter ermitteln, und zu diesem Zweck sollte ich Generalvollmacht bekommen, aber in absehbarer Zukunft würde sich niemand der Familie nähern. »Wenn überhaupt jemals wieder«, fügte Reynolds mit großem Nachdruck hinzu.
Ich widersprach nicht. Ich konnte damals nicht einmal ein Glas Milch trinken, ohne mich zu fragen, ob ich davon sterben würde. Mir ging die Erinnerung an Cortlands künstliches Lächeln nicht aus dem Sinn.
DEIRDRES GESCHICHTE (FORTSETZUNG)
Meine Ermittler in Texas waren drei höchst professionelle Detektive:
zwei von ihnen hatten früher für die Regierung der Vereinigten
Staaten gearbeitet. Alle drei wurden ermahnt, daß Deirdre durch das, was wir taten, in keiner Weise gestört oder erschreckt werden dürfe.
»Das Glück dieses Mädchens und sein Seelenfrieden liegen mir sehr am Herzen. Bedenken Sie, daß sie eine Telepathin ist. Kommen Sie auf fünfzehn Schritte an sie heran, wird sie wahrscheinlich merken, daß Sie sie beobachten. Bitte sehen Sie sich vor.«
Ob sie mir glaubten oder nicht, sie hielten sich jedenfalls an meine Anweisungen. Wenn Deirdre je merkte, daß sie beobachtet wurde, so wissen wir davon nichts.
Deirdres Leistungen im Herbstsemester an der Texas Woman’s University waren gut. Sie erzielte ausgezeichnete Noten. Die anderen Mädchen mochten sie. Ihre Lehrer mochten sie. Ungefähr alle sechs Wochen meldete sie sich aus dem Wohnheim ab und aß zu Abend mit ihrer Cousine Rhonda Mayfair und deren Mann, Professor Ellis Clement, ihrem derzeitigen Englischlehrer.
Aus demselben Wohnheimregister geht hervor, daß Cortland sie oft besuchte und sie nicht selten für einen Freitag oder Samstag abend in Denton abmeldete.
Was man sich in Juristenkreisen erzählte, läßt vermuten, daß Cortland und Carlotta immer noch nicht miteinander sprachen. Carlotta erwiderte Cortlands routinemäßige Geschäftsanrufe nicht. Über geringfügige Finanzangelegenheiten, die Deirdre betrafen, gingen bissige Briefe zwischen den beiden hin und her.
»Er will um ihretwillen die völlige Kontrolle über sie bekommen«, erzählte eine Sekretärin einem Freund, »aber die Alte will das nicht haben. Sie droht, ihn vor Gericht zu schleppen.«
Wie immer die Einzelheiten dieses Kampfes aussehen mochten, wir wissen, daß Deirdres Leistungen im Frühjahrssemester nachzulassen begannen. Sie fing an, Seminare zu versäumen. Wohnheimnachbarinnen berichteten, sie weine manchmal die ganze Nacht, reagiere aber nicht, wenn man an ihre Zimmertür klopfe.
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