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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verfügbaren Einrichtung und mit Laboratorien für eine unabhängige Forschung.«
    »Mein Gott, so was ist mir noch nie in den Sinn gekommen.«
    »Bis jetzt hatte ich nie auch nur die geringste Chance, ein Forschungsprogramm ins Leben zu rufen und vollständig zu leiten – du weißt schon: die Ziele zu formulieren, die Standards zu definieren, das Budget zu bestimmen.« Ihr Blick ging in weite Fernen. »Wichtig ist, in Kategorien zu denken, die der Größe des Vermächtnisses entsprechen. Und für mich selbst zu denken.«
    Ein vages Unbehagen ergriff ihn. Er wußte nicht, warum. Es kroch ihm kalt den Rücken herauf, als er sie sagen hörte: »Wäre das nicht die Erlösung, Michael? Wenn das Mayfairsche Vermächtnis zum Heilen verwendet würde? Das siehst du doch sicher ein. Ein weiter Weg – von Suzanne und Jan van Abel, dem Chirurgen, bis zu einem großen, innovativen medizinischen Zentrum mit der Aufgabe, Leben zu retten.«
    Nachdenklich saß er da, und er wußte nicht, was er antworten sollte.
    »Es ist alles möglich«, sagte sie und beobachtete seine Reaktion. Ein kleines Flämmchen tanzte auf ihren Wangen, in ihren Augen.
    »Klingt gut. Nahezu vollkommen«, sagte er.
    »Warum machst du dann so ein Gesicht? Was hast du?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Michael, hör auf, über diese Visionen nachzudenken. Hör auf, an unsichtbare Menschen am Himmel zu denken, die unserem Leben einen Sinn geben. Es gibt keine Geister auf dem Dachboden. Du mußt selbst für dich denken.«
    »Das tue ich, Rowan, das tue ich ja. Du brauchst nicht wütend zu werden. Es ist eine hinreißende Idee. Es ist vollkommen. Ich weiß nicht, weshalb mir dabei unbehaglich wird. Du mußt ein bißchen Geduld mit mir haben, Honey. Wie du sagtest: Unsere Träume müssen im Verhältnis zu unseren Mitteln stehen. Insofern ist mir das Ganze ein bißchen zu hoch.«
    »Du brauchst nichts weiter zu tun, als mich zu lieben, mir zuzuhören und mich laut denken zu lassen.«
    »Ich bin bei dir, Rowan. Immer. Und ich finde es großartig.«
    »Du hast Mühe, es dir vorzustellen«, sagte sie. »Das verstehe ich. Ich habe ja selbst erst damit angefangen. Aber, verdammt – hier ist Geld, Michael. Und die Menge dieses Geldes hat etwas absolut Obszönes an sich. Seit zwei Generationen pflegt diese Anwaltsfirma das Vermögen, sie füttern es mit sich selbst, so daß es sich vervielfacht wie ein Monster.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Schon vor langer Zeit haben sie die Tatsache aus den Augen verloren, daß es alles einer Person gehört. Es gehört inzwischen auf eine grausige Weise sich selbst, und es ist größer als irgend etwas, das ein menschliches Wesen besitzen oder beherrschen dürfte.«
    »Sehr viele Leute würden dir da zustimmen.«
    Aber er wurde die Erinnerung an sein Krankenhausbett in San Francisco nicht los; er hatte dagelegen und geglaubt, daß sein ganzes Leben einen Sinn bekommen habe, daß alles, was er je getan hatte oder gewesen war, nun abgebüßt werden würde.
    »Ja, es wäre die Erlösung für alles, nicht wahr?«
    Und warum sah er dann die Gruft vor seinem geistigen Auge? Die zwölf Fächer und die Tür darüber, und den Namen Mayfair in großen Lettern, und die Blumen, die in der betäubenden Hitze dahinwelkten?
    Er zwang sich, diese Gedanken abzuschütteln, und widmete sich der besten Ablenkung, die er kannte. Er sah sie nur an, sah sie an und stellte sich vor, sie zu berühren, und er widerstand diesem Drang, obwohl sie nur wenige Handbreit von ihm entfernt war und wollte, ja, beinahe sicher wollte, daß er sie berührte.
    Es klappte. Ein kleiner Schalter raste in dem rücksichtslosen Mechanismus namens Gehirn ein. Er stellte sich vor, wie ihre nackten Beine im Schein der Lampen aussahen, wie zart und voll ihre Brüste unter dem kurzen Seidenhemd. Er beugte sich vor, drückte seine Lippen an ihren Hals und knurrte kurz und entschlossen.
    »Jetzt hast du’s geschafft«, flüsterte sie.
    »Ja, aber es wurde auch Zeit«, brummte er mit tiefer Stimme. »Wie würde es dir gefallen, ins Bett getragen zu werden?«
    »Ich fand’s hinreißend«, schnurrte sie. »Das hast du seit dem ersten Mal nicht mehr getan.«
    »O Gott! Wie konnte ich so gedankenlos sein?« flüsterte er. »Was für eine Sorte altmodischer Mann bin ich eigentlich?« Er schob den linken Arm unter ihren heißen, seidigen Schenkel, umschlang ihre Schultern mit dem rechten, küßte sie, als er sie hochhob, und frohlockte im stillen, daß er dabei nicht das Gleichgewicht verlor und der

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