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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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strömte, und sie nahm Michaels Arm und begann schnellen Schritts den langen Weg durch den Mittelgang.
    Zu beiden Seiten sah sie sie lächeln, nicken, sah den unwiderstehlichen Ausdruck einer immer gleichen Erregung, als sei die ganze Kirche erfüllt von diesem einfachen und überwältigenden Glück, das sie empfand.
    Erst als sie in die wartende Limousine stiegen, während die Mayfairs sie unter überschwenglichem Jubel mit Reis überschütteten, fiel ihr der Trauergottesdienst wieder ein, der auch in dieser Kirche stattgefunden hatte, und jener andere Zug aus glänzenden schwarzen Autos.
    Und jetzt geht es also durch dieselben Straßen, dachte sie, umhüllt von weißer Seide und mit Michael an der Seite, der sie wieder küßte, auf die Augen und auf die Wange.
    Sie lehnte sich zurück, an seine Schulter, lächelnd, mit geschlossenen Augen, und dachte ruhig und mit Bedacht an all die herausragenden Augenblicke ihres Lebens: an ihr Examen in Berkeley, an den ersten Tag als Assistenzärztin auf der Station, an den ersten Tag im Operationssaal, an das erste Mal, daß sie am Ende einer Operation die Worte gehört hatte: Gut gemacht, Dr. Mayfair. Sie können zumachen.
    »Der glücklichste Tag«, flüsterte sie. »Und er hat gerade erst angefangen.«
    Hunderte wimmelten auf dem Rasen umher, unter den großen weißen Zelten, die den Garten, den Pool und das hintere Stück vor der Garçonniere überschatteten. Die im Freien aufgestellten Büffettische bogen sich unter der Last üppiger Südstaatengerichte: Langusten é touffée, Shrimp Creole, Pasta Jambalaya, gebackene Austern, geschwärzter Fisch – und sogar die bescheidenen und beliebten roten Bohnen mit Reis. Livrierte Kellner schenkten Champagner in tulpenförmige Kelche; Barkeeper mixten Cocktails nach Wunsch hinter den wohlsortierten Bars im Salon, im Eßzimmer und am Pool.
    Die Dixieland-Band spielte rasant und fröhlich unter einem weißen Baldachin am vorderen Zaun, und hin und wieder wurde die Musik von der lebhaft lärmenden Unterhaltung verschluckt.
    Stundenlang standen Michael und Rowan mit dem Rücken vor dem hohen Spiegel an der Frist Street-Seite des Salons und empfingen einen Mayfair nach dem anderen, schüttelten Hände, bedankten sich und hörten aufmerksam zu, wenn ihnen Abstammungslinien, Beziehungen und verwandtschaftliche Verflechtungen beschrieben wurden.
    Viele von Michaels alten High-School-Kameraden waren auch gekommen, dank Rita Mae Lonigan und ihren fleißigen Bemühungen; sie bildeten eine lärmende, fröhliche Gemeinde für sich, wie sie so ganz in der Nähe ihre alten Footballstorys austauschten. Rita hatte sogar ein lange verschollenes Paar aus der Verwandtschaft ausfindig gemacht, eine reizende alte Frau namens Amanda Curry, die Michael in liebevoller Erinnerung hatte, und einen Franklin Curry, der mit Michaels Vater zur Schule gegangen war.
    Wenn es jemanden gab, der das alles noch mehr genoß als Rowan, dann war es Michael, und er war weit weniger reserviert als sie. Beatrice kam alle halbe Stunde mindestens zweimal vorbei, um ihn überschwenglich zu umarmen, und jedesmal quetschte sie dabei ein paar verlegene Tränen aus ihm heraus: zudem war er sichtlich gerührt von der liebevollen Art und Weise, mit der Lily und Gifford seine Tante Viv unter ihre Fittiche nahmen.
    Schließlich war der Empfang zu Ende, und Rowan konnte frei von einer kleinen Gruppe zur anderen spazieren; sie spürte, daß es ein erfolgreiches Fest war, und sie zollte den Leistungen des Bewirtungsservice und der Band ihren Beifall, wie man es vermutlich von ihr erwartete.
    Die Hitze des Tages war dank einer sanften Brise restlos verflogen. Einige Gäste verabschiedeten sich frühzeitig; der Pool war voll halbnackter kleiner Geschöpfe, die einander quiekend bespritzten. Einige schwammen nur in ihren Unterhosen, aber ein paar betrunkene Erwachsene waren mit ihrer Festtagskleidung ins Wasser gesprungen.
    Frische Speisen wurden in die Wärmebehälter gehäuft; neue Champagnerkisten wurden geöffnet. Der harte Kern der etwa fünfhundert Mayfairs, die Rowan inzwischen persönlich kennengelernt hatte, spazierte umher und fühlte sich offenbar ganz heimisch; sie saßen plaudernd auf der Treppe, sie wanderten durch die Schlafzimmer und bestaunten die wunderbaren Veränderungen, oder sie umstöberten den riesenhaften, bunten Berg der teuren Geschenke.
    Allenthalben bewunderte man den Erfolg der Instandsetzung: den zarten Pfirsichton der Wände im Salon und die beigefarbenen

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