Hexenstunde
natürlich ebenfalls lauter Mayfairs, und eine sehr ansehnliche Truppe noch dazu – standen bereit, um einer nach dem anderen die Arme der Jungfern zu ergreifen. Aber jetzt war der Augenblick gekommen…
Sie hatte das Gefühl, sie werde gleich vergessen, wie man einen Fuß vor den anderen setzte. Aber sie vergaß es nicht. Rasch richtete sie noch einmal den langen, vollen weißen Schleier. Sie lächelte Mona an, ihr kleines Blumenmädchen, niedlich wie immer mit der gewohnten Schleife im roten Haar. Sie nahm Aarons Arm, und zusammen folgten sie Mona im Takt der majestätischen Musik; Rowans Blick wanderte durch die Kirche, und verschwommen sah sie Hunderte von Gesichtern zu beiden Seiten. Geblendet spähte sie durch einen Nebel von Weiß zu dem Wald von Lichtern und Kerzen auf dem Altar dort vor ihr.
Als sie endlich Michael entdeckte, so absolut anbetungswürdig in seinem grauem Cutaway mit Fliege, da stiegen ihr die Tränen in die Augen. Wie wahrhaft prachtvoll er war, ihr Geliebter, ihr Engel, als er ihr jetzt von seinem Platz neben dem Altar entgegenstrahlte, die Hände – ohne die greulichen Handschuhe – vor sich verschränkt, den Kopf leicht geneigt, als müsse er seine Seele vor dem hellen Licht beschirmen, das ihn hier beschien, obgleich doch seine blauen Augen für sie das strahlendste Licht von allen verströmten.
Er trat neben sie. Eine wunderbare Ruhe senkte sich auf sie herab, als sie sich Aaron zuwandte, und er hob ihren Schleier und warf ihn anmutig zurück, so daß er weich hinter ihren Armen über ihren Rücken herabfiel. Ein Schauer durchrieselte sie. Eine so altehrwürdige Geste hatte noch niemals zu ihrem Leben gehört. Und es war nicht der Schleier ihrer Jungfernschaft oder ihrer Keuschheit, der da von ihr gehoben wurde, sondern der Schleier der Einsamkeit. Aaron nahm ihre Hand und legte sie in Michaels.
»Seien Sie immer gut zu ihr, Michael«, flüsterte er. Sie schloß die Augen und wünschte, dieses reine Gefühl möge ewig dauern. Dann hob sie langsam den Kopf und betrachtete den prunkvollen Altar mit den herrlichen, holzgeschnitzten Heiligenfiguren, die Reihe um Reihe dort standen.
Als der Priester die traditionellen Worte zu sprechen begann, sah sie, daß auch Michaels Augen in Tränen schwammen. Sie fühlte, wie er zitterte, als sein Griff sich fester um ihre Hand spannte.
Sie fürchtete, daß ihre Stimme sie im Stich lassen könnte. Am Vormittag war ihr ein wenig übel gewesen, vor Sorge vielleicht, und jetzt erfaßte sie wiederum ein leichter Schwindel.
Aber auf einmal wurde ihr ganz leicht ums Herz, und sie dachte daran, daß diese Zeremonie an sich eine ungeheure Kraft vermittelte, daß sie das Brautpaar mit einer unsichtbaren, schützenden Macht umhüllte. Wie hatten ihre alten Freunde sich über diese Dinge lustig gemacht. Und auch sie selbst hatte sie einmal für unvorstellbar gehalten. Aber jetzt stand sie unversehens im Mittelpunkt des Ganzen, und sie genoß es und öffnete ihr Herz, um die Gnade zu empfangen, die ihr diese Zeremonie spendete.
Und schließlich die Worte des alten Mayfair-Vermächtnisses, die der Trauungsformel angefügt wurden und ihr eine neue Form gaben:
»…jetzt und immerdar, daheim und in der Öffentlichkeit, vor deiner Familie und vor allen anderen, ohne Ausnahme und in jeglicher Eigenschaft immer nur bekannt zu sein unter dem Namen Rowan Mayfair, Tochter der Deirdre Mayfair, Tochter der Antha Mayfair, derweil dein rechtmäßiger Ehegemahl soll tragen seinen eigenen Namen…«
»Ja.«
»Nichtsdestoweniger und mit reinem Herzen sage mir nun, nimmst du diesen Mann, Michael James Timothy Curry…«
»Ja.«
Und endlich war es vorüber. Die letzten Worte waren unter den hohen Bögen der Decke verhallt. Michael drehte sich um und nahm sie in die Arme, wie er es in der Heimlichkeit des dunklen Hotelzimmers schon tausendmal getan hatte – aber wie köstlich war jetzt dieser öffentliche, zeremonielle Kuß. Sie gab sich ihm restlos hin, den Blick gesenkt, und die Kirche zerfloß in Stille. Und dann hörte sie ihn flüstern:
»Ich liebe dich, Rowan Mayfair.«
Und sie antwortete: »Ich liebe dich, Michael Curry, mein Erzengel.« Und in all seinem steifen Staat drückte sie ihn fest an sich und küßte ihn noch einmal.
Die ersten Klänge des Hochzeitsmarsches ertönten, laut und voller Triumph. Ein mächtiges Rascheln ging durch die Kirche. Sie drehte sich um, sah der großen Versammlung entgegen, sah die Sonne, die durch die bunten Glasfenster
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