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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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meine schöne Deirdre. Deine Reaktionen und Entscheidungen erfahren durch eine solche Geschichte unschätzbare Unterstützung. Aber diese Aufgabe hat Aaron erfüllt.«
    »Ja, ich verstehe.«
    »Hüte dich.«
    »Davor, zu glauben, daß ich es verstehe?«
    »Genau. Frage immer weiter. Wörter wie ›Reaktionen‹ und ›unschätzbar‹ sind vage. Ich würde nichts vor dir verbergen, Rowan.«
    Sie hörte ihn wieder seufzen, aber es war ein langer, sanfter Seufzer, der sich langsam in ein anderes Geräusch verwandelte, und es berührte sie am ganzen Leibe, fast wie der Wind.
    Sie lachte leise vor Wohlgefallen. Sie konnte ihn sehen, wenn sie sich bemühte: Die Luft kräuselte sich, etwas schwoll und erfüllte den Raum.
    »Ja…«, sagte er. »Ich liebe dein Lachen. Ich kann nicht lachen.«
    »Ich kann dir helfen, es zu lernen.«
    »Ich weiß.«
    »Bin ich die Tür?«
    »Ja.«
    »Bin ich die dreizehnte Hexe?«
    »Ja.«
    »Dann hatte Michael recht mit seiner Deutung.«
    »Michael hat selten unrecht. Michael sieht klar.«
    »Willst du Michael töten?«
    »Nein. Ich liebe Michael. Ich möchte mit Michael umhergehen und reden.«
    »Warum, warum ausgerechnet mit Michael?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Oh, du mußt es doch wissen.«
    »Lieben heißt lieben. Ist die Antwort die Wahrheit? Michael ist strahlend und schön. Michael lacht. Michael hat viel vom unsichtbaren Geist in sich, der seine Glieder durchströmt, seine Augen, Stimme. Verstehst du?«
    »Ich glaube ja. Es ist das, was wir Vitalität nennen.«
    »Genau«, sagte er.
    Aber war dieses Wort je mit solcher Bedeutung gesprochen worden?
    Er fuhr fort.
    »Ich habe Michael von Anfang an gesehen. Michael war eine Überraschung. Michael sieht mich. Michael kam zum Zaun. Auch hat Michael Ehrgeiz, und er ist stark. Michael hat mich geliebt. Jetzt fürchtet Michael mich. Du bist zwischen mich und Michael getreten, und Michael fürchtet, daß ich zwischen ihn und dich treten werde.«
    »Aber du wirst ihm nichts tun.«
    Keine Antwort.
    »Du wirst ihm nichts tun!«
    »Befiel mir, ihm nichts zu tun, und ich werde ihm nichts tun.«
    »Aber du hast gesagt, du wolltest nicht! Warum läßt du es so im Kreis gehen?«
    »Es ist kein Kreis. Ich habe dir gesagt, ich will Michael nicht töten. Vielleicht wird Michael verletzt. Was soll ich tun? Ich lüge nicht. Aaron lügt. Ich lüge nicht. Ich kann es nicht.«
    »Das glaube ich nicht. Aber vielleicht glaubst du es ja.«
    »Du verletzt mich.«
    »Sag mir, wie das alles enden wird.«
    »Was?«
    »Mein Leben mit dir – wie wird es enden?«
    Schweigen.
    »Du willst es mir nicht sagen.«
    »Du bist die Tür.«
    Sie saß ganz still da. Sie fühlte, wie ihr Verstand arbeitete. Das Feuer knisterte leise, die Flammen tanzten vor den Backsteinen, und ihre Bewegungen erschienen so langsam, daß es unwirklich aussah. Wieder flirrte die Luft. Sie glaubte eine Bewegung in den langgestreckten Kristalltränen des Kronleuchters zu sehen, sie drehten sich und sammelten winzige Splitter von Licht.
    »Was bedeutet es, die Tür zu sein?«
    »Du weißt, was es bedeutet.«
    »Nein, ich weiß es nicht.«
    »Du kannst Materie mutieren, Dr. Mayfair.«
    »Ich bin nicht sicher. Ich bin Chirurgin. Ich arbeite mit präzisen Instrumenten.«
    »Ah, aber dein Geist ist um soviel präziser.«
    Sie runzelte die Stirn. Der seltsame Traum kam ihr in Erinnerung, der Traum aus Leiden…
    »In deinem Leben hast du Blutungen gestillt«, sagte er, und er ließ sich Zeit bei seinen langsamen, sanften Worten. »Du hast Wunden geschlossen. Du hast der Materie befohlen, dir zu gehorchen.«
    Der Kronleuchter ließ leise Musik durch die Stille klingen und fing den Schein der tanzenden Flammen ein.
    »Es war mir nicht immer bewußt…«
    »Aber du hast es getan. Du fürchtest deine Macht, aber du besitzt sie. Geh hinaus in den Garten in der Nacht. Du kannst den Blumen befehlen, sich zu öffnen. Du kannst sie wachsen lassen, wie ich die Iris wachsen ließ, die du gesehen hast, wenngleich dies für mich sehr anstrengend und schmerzhaft war.«
    »Und dann ist die Iris gestorben und von ihrem Stiel gefallen.«
    »Ja. Ich wollte sie nicht töten.«
    »Du hast sie bis an ihre Grenzen getrieben, weißt du. Darum ist sie gestorben.«
    »Ja. Ich kannte ihre Grenzen nicht.«
    Sie wandte sich zur Seite. Sie wußte, daß sie in Trance war – aber wie absolut klar seine Stimme war, wie präzise seine Aussprache!
    »Du hast nicht nur die Moleküle in die eine oder andere Richtung

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