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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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lange auf dich gewartet. Ich habe vor dir solches Leid gesehen, und wenn ich Tränen zu vergießen hätte, wären sie vergossen worden. Nicht nur um Stella habe ich geweint, sondern um sie alle – um meine Hexen. Als Julien starb, litt ich Höllenqualen. So groß war mein Schmerz, daß ich vielleicht fortgegangen wäre, zurück in das Reich des Mondes und der Sterne und der Stille. Aber es war zu spät. Ich konnte meine Einsamkeit nicht ertragen. Als Mary Beth rief, kam ich zu ihr zurück. Immer schneller. Ich schaute in die Zukunft. Und ich sah wieder die dreizehnte. Ich sah die stetig wachsende Kraft meiner Hexen.«
    Sie hatte die Augen geschlossen. Das Feuer war erloschen. Das Zimmer war erfüllt vom Geist Lashers. Sie fühlte ihn an ihrer Haut, obwohl er sich nicht bewegte und sein Gewebe leicht wie die Luft auf ihr lag.
    »Wenn ich wirklich Fleisch geworden bin«, sagte er, »dann werden die Tränen und das Lachen wie Reflexe aus mir hervorbrechen – genau wie bei dir oder bei Michael. Ich werde ein vollständiger Organismus sein.«
    »Aber kein Mensch.«
    »Besser als ein Mensch, denn ich werde die ordnende Intelligenz sein, und ich habe große Macht; sie ist größer als die Macht, die irgendeinem Menschen innewohnt. Ich werde eine Spezies sein, die es jetzt noch gar nicht gibt.«
    »Hast du Arthur Langtry getötet?«
    »Nicht nötig. Er starb schon. Was er sah, beschleunigte nur seinen Tod.«
    »Aber warum hast du dich ihm gezeigt?«
    »Weil er stark war, und weil er mich sehen konnte. Ich wollte ihn hereinziehen, damit er Stella rettete, denn ich wußte, daß Stella in Gefahr war.«
    »Und warum hat Arthur ihr nicht geholfen?«
    »Es war zu spät. Ich bin wie ein Kind in solchen Augenblicken der Zeit. Die Gleichzeitigkeit besiegte mich, weil ich in der Zeit agierte.«
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    »Während ich Langtry erschien, wurden Schüsse abgegeben, die Stella ins Hirn trafen und ihren augenblicklichen Tod herbeiführten. Ich kann weit sehen, aber ich sehe nicht alle Überraschungen.«
    »Du wußtest es nicht.«
    »Und Carlotta hat mich getäuscht. Carlotta hat mich in die Irre geführt. Ich bin nicht unfehlbar. Im Gegenteil, ich bin erstaunlich mühelos zu verwirren.«
    »Wie?«
    »Warum sollte ich dir das verraten? Damit du mich um so leichter beherrschen kannst? Du weißt, wie. Du bist eine ebenso mächtige Hexe wie Carlotta. Es geschah durch Emotionen. Carlotta dachte sich die Mordtat als einen Akt der Liebe. Sie lehrte Lionel, was er denken sollte, wenn er die Pistole nähme und auf Stella schösse. So gab es keinen Haß, keine Bosheit, die mich alarmiert hätten. Auf die Liebesgedanken Lionels achtete ich nicht. Und dann lag Stella da und starb; sie rief mich stumm und mit offenen Augen, so verwundet, daß keine Hoffnung auf Wiederherstellung bestand. Und Lionel feuerte den zweiten Schuß ab, der Stellas Geist hinauf und für alle Zeit aus ihrem Körper trieb.«
    »Aber du hast Lionel getötet. Du hast ihn in den Tod getrieben.«
    »Ja.«
    »Und Cortland? Du hast Cortland getötet.«
    »Nein. Ich habe mit ihm gerungen, und er wollte seine Kraft gegen mich setzen und ist dabei gescheitert, und er stürzte in diesem Kampf. Ich habe deinen Vater nicht getötet.«
    »Warum habt ihr mit einander gekämpft?«
    »Ich habe ihn gewarnt. Er glaubte, er könne mir Befehle erteilen, aber das konnte er nicht. Deirdre war meine Hexe. Du bist meine Hexe. Nicht Cortland.«
    »Aber Deirdre wollte mich nicht fortgeben. Und Cortland hat ihre Wünsche verteidigt.«
    »Das ist unwichtig. Du kamst in die Freiheit, damit du stark wärest, wenn du zurückkämst. Du wurdest von Carlotta befreit.«
    »Aber du hast dafür gesorgt, und es geschah gegen Deirdres und gegen Cortlands Wunsch.«
    »Um deinetwillen, Rowan. Ich liebe dich.«
    »Ah, aber da liegt ein Muster zugrunde, nicht wahr? Und du willst nicht, daß ich es erkenne. Wenn ein Kind geboren ist, dann bist du für das Kind und nicht mehr für die Mutter. So ist es schon bei Deborah und Charlotte gewesen, nicht wahr?«
    »Du urteilst falsch über mich. Wenn ich in der Zeit agiere, tue ich manchmal etwas Falsches.«
    »Du hast gegen Deirdres Wünsche agiert. Du hast dafür gesorgt, daß ich ihr weg genommen wurde. Du hast den Plan der dreizehn Hexen befördert, und zwar zu deinem eigenen Vorteil. Du hast immer nur für deine eigenen Ziele gearbeitet, nicht wahr?«
    »Du bist die dreizehnte und die stärkste. Mein Ziel warst du, und dir will ich dienen. Deine

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