Hexensturm
wusste, dass er hier gebraucht wurde, weil jemand die anderen schützen musste.
Iris war heute auch anders angezogen als sonst – sie trug ihr Priesterinnengewand und hatte sich das Haar in vielen geflochtenen Zöpfen um den Kopf hochgesteckt. Außerdem hatte sie ihren Zauberstab mit dem Aqualin-Kristall bei sich. Während ich mit meinem Sandwich eher spielte, als es zu essen, gesellte sie sich zu mir.
»Mach dich nicht verrückt. Wir werden ihn besiegen.« Leicht berührte sie sein Halsband. »Irgendetwas an dem Ding fühlt sich anders an.«
Ich nickte. »Ich kann es noch nicht abnehmen, aber die Mondmutter ist gestern Nacht zu mir gekommen und hat ihm etwas von seiner Macht genommen. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich fühle mich viel stärker. Bereit, mich ihm zu stellen.« Innerlich fühlte ich mich eher wie ein vor Angst zitterndes Häuflein Wackelpudding, aber ich bemühte mich, die Angst anzunehmen und loszulassen.
Iris strich mir das Haar zurück und flocht es. »Wir sollten ihm keinerlei Vorteil verschaffen«, erklärte sie. »Ich glaube, du lernst gerade eine schwierige Lektion, die du bisher nicht annehmen konntest. Du lernst, dass du nicht immer der Fels in der Brandung sein kannst, diejenige, die alles wiedergutmacht.«
»Über diese Situation habe ich keine Kontrolle. Nur über meine Reaktion darauf.« Ich lächelte sie an und sonnte mich in ihrem gewinnenden Lächeln und dem Blick ihrer blauen Augen. Iris hatte mehr gesunden Menschenverstand als die meisten anderen Leute, die ich kannte, aber sie war nicht weichlich. Sie war ein Musterbeispiel für liebevolle Strenge – sie besaß die seltene Gabe, so mit einem zu schimpfen, dass man sie dafür liebte.
»Aha … du lernst es also.« Sie trat zurück und musterte meinen Zopf. »Ja, das tut’s. Iss auf, dann gehen wir.«
»Danke dir«, nuschelte ich und biss in mein Sandwich. Nachdem ich den letzten Bissen heruntergeschlungen hatte, kippte ich ein großes Glas Milch hinterher.
Delilah wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir gegen einen Drachen kämpfen werden. Smoky, Shade, ich hoffe sehr, dass ihr mit ihm fertig werdet, denn ich habe keinen blassen Schimmer, was ich dabei tun könnte.«
Shade lächelte und wies mit einem Nicken in meine Richtung. »Du und deine Schwestern solltet euch ruhig mehr zutrauen. Also kommt. Gehen wir und bringen es hinter uns, damit wir uns wieder um andere Dinge kümmern können.«
Seine lässige Haltung wirkte beruhigend auf mich. Smoky sprach kaum ein Wort, er zog mich nur auf seinen Schoß und schlang mir sanft einen Arm um die Taille. Ich lehnte mich an ihn, die Stirn an seine, und küsste ihn sacht.
»Wir schaffen das, mein Mann.«
»So ist es, mein Weib.« Seine Stimme klang ruhig, aber in seinen Augen blitzte es, und ich wusste, dass er nicht aufgeben würde, bis Hyto in tausend Fetzen über den Waldboden verteilt war. Manchmal liebte er mich so sehr – liebten alle drei mich so sehr –, dass es mir Angst machte. Diese Liebe wollte ich durch nichts gefährden, aber ich war so weit von Vollkommenheit entfernt, dass ich mich fragte, ob ich solche Anbetung verdiente. In diesem Moment beugte Trillian sich über meine andere Schulter und küsste mich. Ich stand auf, ging hinüber zu Morio und küsste auch ihn. Dann waren wir bereit, und mit einem letzten Blick in die Höhle gingen wir hinaus, um uns Hyto zum Kampf zu stellen.
Der Pfad, der zu der genannten Lichtung führte, war steil und gewunden. Smoky bestand darauf, mich über jeden Baumstamm und jeden Felsbrocken hinwegzuheben – um meine Kraft zu schonen, behauptete er –, und Shade half Iris. Delilah war groß und stark genug, um selbst über diese Hindernisse hinwegzuklettern.
»Du hast Trillian und Roz gezwungen, zurückzubleiben, weil Hyto sie besonders leicht verletzen könnte, nicht wahr? Und Vanzir auch?« Delilah holte zu mir auf und pustete in die hohlen Hände. Die Morgenluft war klamm und kalt und schmeckte nach Schnee.
Ich nickte. »Ja, aber das ist nicht der einzige Grund. Wir brauchen wirklich jemanden, der auf Maggie und die anderen aufpasst. Was, wenn Hyto uns niedermacht? Smoky hat dafür gesorgt, dass im Bau ein Alarm ausgelöst wird, falls er fallen sollte. Das verschafft ihnen ein wenig Zeit zu fliehen.«
»Das wusste ich nicht«, entgegnete Delilah, die auf einmal grimmig dreinblickte. »Das hier passiert wirklich, oder? Wir kämpfen jetzt gleich gegen einen
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