Hexensturm
Drachen?«
Niemand von uns hatte je die Wut eines Drachen zu spüren bekommen außer Roz, als er mir einmal in Smokys Gegenwart in den Hintern gekniffen hatte – und ich als Hytos Gefangene. Ich wollte gar nicht daran denken, was uns erwarten könnte, falls es zum Äußersten käme.
»Ich auch nicht, er hat es mir gesagt, ehe wir den Hügel verlassen haben. Trillian hat er es auch erklärt, damit sie wissen, was los ist, wenn der Alarm ausgelöst wird. Menolly – sie hat sich in den unteren Ebenen versteckt, da müsste sie ziemlich sicher sein. Ich bezweifle, dass Hyto sich allzu viel Mühe machen würde, sie zu finden. Aber die anderen …«
Als wir eine kleine Lichtung überquerten, kam ein Reh aus dem Unterholz und blieb an einem Gestrüpp aus Farn und Heidelbeeren stehen. Die Ricke starrte uns an, reglos, aber fluchtbereit, und ich blickte ihr in die Augen, als wir vorbeigingen. Sie hatte keine Kontrolle darüber, was wir taten, beobachtete uns aber vorsichtig, argwöhnisch. Ich hob langsam die Hand zum Gruß.
Die Schneeschicht wurde dicker, nass und schwer, je steiler der Pfad anstieg. Ich versuchte, mich auf das Land hier einzustimmen – wenn ich das Element Erde gegen Hyto einsetzen wollte, war es vielleicht hilfreich, wenn ich eine gute Verbindung zu diesem Land herstellen konnte. Ich würde mich ohnehin viel aufmerksamer in meine Umgebung einfühlen müssen, wenn ich erst Aevals Hof angehörte, also konnte ich ebenso gut gleich damit anfangen.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich über die Zukunft nachdachte, als erwartete ich eine. Vielleicht haben wir tatsächlich eine Chance, ging es mir durch den Kopf, und ich fragte mich, woher der Gedanke gekommen sein mochte.
Allmählich regte sich in mir das seltsame Gefühl, dass wir verfolgt wurden. Ich blickte hinter uns, konnte aber nichts sehen. Als ich Smoky darauf ansprach, hörte er mir zwar zu, schüttelte aber dann den Kopf. Der sanft herabrieselnde Schnee dämpfte alle Geräusche, und die Welt hatte denselben unwirklichen, weißen Glanz wie in den Nordlanden.
»Ich kann den Frühling kaum erwarten«, brummte ich vor mich hin. »Von Schnee habe ich genug für den Rest meines Lebens.«
»Ich auch«, bemerkte Iris von Smokys Schultern aus. »Ich träume schon davon, Blumen und Gemüse zu pflanzen. Gestern Nacht hat mich ein Stiefmütterchen im Traum verfolgt und wollte mich zwingen, endlich den Schnee abzustellen.«
Die plötzlich umschlagende Stimmung brachte mich zum Lachen. Obwohl ich mich bemühte, leise zu sein, hallte meine Stimme über den Hang, und ich krümmte mich, um mein Gelächter zu dämpfen. Der Lachanfall war bald vorbei, aber ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor mich hin zu kichern.
Smoky und Shade schwiegen, doch Delilah warf mir einen Blick zu, den ich nicht ganz deuten konnte. Sie war entweder sehr gereizt oder sehr einverstanden mit mir.
Wir erreichten eine ebene Terrasse, und dann stieg der Hügel wirklich steil an. Bis zu unserem Treffpunkt lag wohl noch eine halbe Stunde Marsch vor uns. Der Wald war hier noch dicht. Wir hatten noch nicht einmal das richtige Vorgebirge der Cascades erreicht, obwohl man von der Straße aus den Mount Rainier deutlich und ganz aus der Nähe sehen konnte. Aber hier waren der Wald dicht, der Schnee tief und das Gehen beschwerlich.
»Ein Glück, dass er uns nicht oben auf dem Gletscher treffen will. Ich hätte wenig Lust, auf den Mount Rainier zu steigen, um mich mit einem Drachen zu duellieren.« Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, hörte ich links von uns ein Geräusch, und ein Blitz schoss auf uns zu. Er verfehlte Delilah und mich, traf jedoch Shade am Arm. Er schrie auf und warf sich nach rechts, und der gleißende, gegabelte Lichtstrahl verschwand.
»Scheiße! Ist das Hyto?« Ich wirbelte herum und suchte nach Anzeichen dafür, dass er in der Nähe war. Doch das Geschoss war aus einem dichten Farngestrüpp gekommen, halb unter hohen Schneewehen verborgen. Ein Loch war in diese Schneewand geschmolzen – der Zauber musste von dort gekommen sein. Aber es war recht dicht am Boden, und irgendwie glaubte ich nicht, dass Hyto sich so gut verbergen könnte. Dazu war er zu arrogant – er würde uns wissen lassen, dass er da war.
Shade bedeutete uns, auf dem Pfad zu bleiben, lief hinüber und trat die verschneiten Pflanzen mit dem Fuß auseinander. »Niemand da. Aber hier war jemand, und er hat … eine Art Sandale getragen, würde ich meinen.«
»Sandalen? Hyto trägt
Weitere Kostenlose Bücher