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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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und nickten zustimmend. Anscheinend hatte ich unwissentlich eine weitere Prüfung bestanden.
    »Dann verkünde ich hiermit das Urteil. Hyto, du wirst durch Blitzschlag sterben. Hier und jetzt, noch am heutigen Tag.« Anscheinend vergeudeten Drachen keine Zeit, wenn sie erst ihre Entscheidung getroffen hatten.
    Zwei Pfähle wurden vor die Mitte des Pavillons gebracht und in Löcher im Boden gesteckt, so dass sie aufrecht stehen blieben. Hyto wurden Arme und Beine gespreizt und daran gefesselt. Sein Haar tobte, doch wo Vishana eine dicke Strähne abgetrennt hatte, klebte verkrustetes Blut.
    Auf einmal verstand ich – ihr Haar war ein lebendiger Körperteil. Es hatte ein Eigenleben, weil es nicht nur aus totem Keratin bestand.
    Hyto sagte nichts – kein weiteres Wort. Er grinste nur sein widerwärtiges Grinsen und ließ mich keinen Moment lang aus den Augen, während sie ihn an die Pfähle fesselten. Die Drachen auf den Rängen begannen zu raunen, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass sie dieses Schauspiel genossen. Das hier war keine römische Arena oder ein Kampf auf Leben und Tod unter Goblins. Hier wurde Gerechtigkeit geübt, und sie waren Zeugen.
    Ich blickte auf und merkte, dass Smoky und seine Mutter neben mich getreten waren. Ich nahm seine Hand, und auf einmal fühlte ich mich entsetzlich schlecht. Ich hatte gerade seinen Vater zum Tode verurteilt. Doch er blickte ruhig auf mich herab und drückte meine Finger.
    »Ist schon gut«, flüsterte er mir ins Ohr. »Das hier war längst fällig, und du kannst nichts dafür. Du bist einfach nur ins Kreuzfeuer geraten.«
    »Mein Sohn hat ganz recht.« Vishana beugte sich auf der anderen Seite zu mir herunter. »Mach dir keine Vorwürfe, Camille. Hyto hat sich das selbst zuzuschreiben. Von ihm habe ich viel darüber gelernt, was man nicht tun sollte – wie man nicht sein sollte.« Sie lächelte sanft und hob mit einer Hand mein Kinn an. »Du bist bezaubernd … Ich gestehe, dass es mir anfangs lieber gewesen wäre, wenn Iampaatar einen Drachen geheiratet hätte – aber das spielt nun keine Rolle mehr. Du gehörst zur Familie. Du wirst bald mit deinen Schwestern zu Besuch kommen und meine anderen Kinder kennenlernen.«
    Ich schluckte. Das konnte eine amüsante kleine Party werden. »Ihr wisst, dass meine Schwester Delilah einen halbblütigen Schattendrachen liebt?«, platzte es aus mir heraus, ehe ich darüber nachdenken konnte.
    Vishana lachte. »Ja, weißt du nicht mehr? Ich habe die beiden bereits kennengelernt. Und er scheint ein sehr manierlicher Mann zu sein. Die nächsten Jahre dürften recht interessant werden.«
    Wieder ertönten die Glocken. Der Schwingenfürst bat mit einer Geste um Ruhe. Er wandte sich Hyto zu und streckte die Hände vor sich aus, mit den Handflächen nach oben. Es wurde ganz still im Saal.
    »Wer frei durch die Hallen der Drachenreiche wandeln will, muss sich an die Gesetze halten. Du hast deine Eide gebrochen. Du hast die Hallen entehrt. Du hast Schande über dein Volk gebracht. Du hast deinen Namen entehrt. Du hast dich durch deine Taten selbst verstoßen. Du bist dazu verflucht, auf ewig durch den Abgrund zu irren. Die leuchtenden Sterne sind dir verwehrt. Du wirst für alle Zeit durch das Nichts irren. Dein Geist ist dazu verurteilt, für immer zwischen den Welten zu wandeln. Dein Name wird aus dem Register gestrichen, und du wirst aus der Geschichte getilgt und zu den Exilanten verworfen. Hyto, du bist nicht länger deines Vaters Sohn. Du bist nicht länger der Vater deiner Söhne und Töchter. Du bist von allen losgesagt. Du bist nicht länger einer von uns. Du bist allein. Du bist verstoßen. Hiermit fällst du der Vergessenheit anheim.«
    Und dann schoss ein Blitz aus seiner Handfläche hervor, breitete sich wie ein Netz über Hyto aus und brannte sich knisternd und funkenschlagend in seinen Körper. Hyto begann zu schreien, als Rauch von seinem Gewand aufstieg und sein Haar in Flammen aufging. Noch immer tanzte der Blitz auf ihm, bis seine bleiche Haut schwarz verkohlt war. Dann erlosch der Blitz, ein Windstoß fegte herein, und der Leichnam zerfiel zu Asche. Der Wind wirbelte ihn auf und trug ihn davon, hinaus aus dem Drachenreich in den sacht fallenden Schnee.
    Im selben Augenblick löste sich mein Halsband und fiel zu Boden. Ich war frei.

    Danach verschwammen die vielen Stimmen und Gesichter, und ich hörte nur noch, wie der Schwingenfürst verkündete, dass der gesamte Besitz von Smokys Großvater nun sein Eigentum

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