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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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Mandelöl und aufgewärmten Wein ab. Sara war inzwischen vollkommen entkräftet eingeschlafen, doch das Kind störte sich nicht daran, sondern saugte weiterhin kräftig an der Brust.
    »Wir haben Glück«, meinte die Hebamme. »Das Gewebe ist nicht gerissen. Wenn ich es hätte nähen müssen, wäre es kompliziert geworden.«
    Jakob löste sich vorsichtig von Sara, damit sie nicht aufwachte, und setzte sich neben die Eversmann, so daß er im Flüsterton mit ihr sprechen konnte.
    »Sagt mir, wie hat sie die Geburt überstanden?«
    Die Frau öffnete ihre Tasche und packte die Utensilien zusammen. »Die Geburt ist im Grunde ohne Probleme verlaufen. Das Kind ist gesund und kräftig …«
    »Aber …?«
    Sie verzog das Gesicht. »Schaut Euch doch um. Dies hier ist kein Ort für eine Frau, die soeben ein Kind geboren hat. Es ist ein Dreckloch voller Ungeziefer. Außerdem stinkt es hier so erbärmlich, daß selbst ein Schwein kaum atmen könnte. Unter normalen Umständen würde ich mir keine Sorgen machen, in diesem Fall allerdings …« Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Sara darf hier nicht bleiben. Die Gefahr, daß sich das Gewebe entzündet und ein Fieber ausbricht, ist zu groß. Wenn das geschieht, wird sie die nächsten Tage kaum überleben.«
    Die Abgeklärtheit ihrer Stimme ließ Jakob schaudern. Doch ihre Befürchtung war nicht von der Hand zu weisen.
    »Es ist nicht Euer Kind, habe ich recht?«
    Jakob nickte.
    »Es liegt allein in Gottes Hand, ob sie diese Prüfung überstehen wird. Daß die Meddersheim eine Hexe sein soll, will ich nicht glauben, aber vielleicht stört sich der Herr daran, daß sie einen Bastard auf die Welt gebracht hat.«
    Jakob verfolgte stumm, wie die Eversmann ihre Tasche schloß. |294| Sie nannte ihm die Summe, die sie als Lohn für ihre Dienste erwartete, und Jakob gab ihr, was sie verlangte.
    »Ich werde morgen noch einmal nach ihr schauen. Und ich werde für sie beten«, sagte die Hebamme, während sie zur Tür ging.
    »Ich danke Euch«, erwiderte Jakob.
    Als die Eversmann die Treppe hinabgehen wollte, stieß sie in der Tür fast mit Matthias Klare zusammen. Der Scharfrichter klopfte Jakob auf die Schulter, betrachtete die schlafende Sara und ihr Kind und meinte: »Wie geht es ihr?«
    »Sara hat die Geburt gut überstanden, aber die Hebamme nimmt an, daß die Gefahr für sie sehr groß ist, hier im Kerker von einem Fieber geschwächt zu werden. Und dann wäre ihr Leben in großer Gefahr.«
    Klare schaute betroffen zu Sara.
    »Der Gerichtstag ist vorüber?« fragte Jakob.
    Der Scharfrichter nickte. »Das Todesurteil wurde vollstreckt. Ich habe Frau Modemann vor die Tore der Stadt gefahren und ihren Körper verbrannt. Peltzer wollte es so. Er hat nicht einmal dem Ersuchen Alberts Modemanns stattgegeben, seine Mutter in geweihter Erde begraben zu dürfen.«
    Der Sieg des Bürgermeister war beinahe vollendet. Zwei einstmals angesehene Frauen waren hingerichtet worden, ihre Angehörigen, die Gegner Peltzers, mundtot, und Sara würde vermutlich die nächsten zweiundsiebzig Stunden nicht überleben. Zumindest blieben ihr durch einen Tod im Kindbett die Qualen der Folter und die Demütigung einer öffentlichen Hinrichtung erspart.
    »Da ist noch etwas, was ich Euch sagen muß«, meinte der Scharfrichter. Er leckte sich verlegen über die Lippen. »Peltzer hat mich nach der Hinrichtung angesprochen. Er war bereits darüber unterrichtet worden, daß Sara Meddersheim in den Wehen lag und trug mir auf, den Säugling an mich zu nehmen und ihn im Fluß zu ertränken, weil es ein Hexenkind sei.«
    |295| Jakob hielt einen Moment die Luft an. Er selbst wußte nicht, was er sagen sollte, doch dafür erhob sich hinter seinem Rücken eine schneidende Stimme.
    »Das werdet Ihr nicht tun! Oder Ihr müßt mich zuvor erschlagen!«
    Sie hatten nicht bemerkt, daß Sara aufgewacht war. Wie eine Löwin schlang sie die Arme um ihr Kind und preßte es schützend an sich.
    Matthias Klare machte mit entsetztem Gesicht einen Schritt auf sie zu. »Um Himmels willen, wofür haltet Ihr mich, Frau Meddersheim. Ich bin kein Kindsmörder.«
    »Dann werdet Ihr Peltzers Anweisung also nicht befolgen?«
    »Auf keinen Fall.«
    »Doch wenn Ihr es nicht tut«, warf Jakob ein, »wird der Bürgermeister jemand anderen mit diesem Mord beauftragen.«
    »Und darum muß ich das Kind fortbringen«, sagte Klare. »Aber sorgt Euch nicht, ich werde ihm kein Leid antun. Ich kenne eine Frau, deren Kind vor wenigen Tagen gestorben ist.

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