Hexentochter
begonnen hatte. Sie wussten nicht, was sie mit ihm machen sollten, also riefen sie Tante Cecile auf dem Handy an und baten um Hilfe. Sie kam sofort herüber, mit Silvana im Schlepptau.
Die Voodoo-Priesterin rief die Loa an, die Götter, die auch von Menschen Besitz ergreifen konnten. Sie rieten ihr, ihn in seinem Schlafzimmer einzuschließen, bis ein vollständiges Exorzismus-Ritual durchgeführt werden konnte. Da in Onkel Richards Adern kein Hexenblut floss, nahm Tante Cecile an, dass Michael deshalb von ihm hatte Besitz ergreifen können, weil Richard vom Alkohol geschwächt gewesen war. In okkulten Kreisen war bekannt, dass man in den Geist von Menschen mit verändertem Bewusstseinszustand leichter eindringen konnte als in die Köpfe von Leuten, die bei klarem Verstand blieben. Die Anhänger der alten Traditionen - die Druiden, Schamanen, Orphiker, mystische Kulte und selbst die frühen Christen - hatten sich bereitwillig ihren Geistern und Göttern dargeboten, um sich von ihnen benutzen zu lassen, vermittelt durch Kräuter, Fasten und sogar Schmerzen.
Richard hingegen war ein ganz anderer Fall.
»Michael könnte versuchen, ihn dazu zu zwingen, euch etwas anzutun«, erklärte ihnen Tante Cecile, als sie sich mit ihrer Tochter, Amanda und Holly im Wohnzimmer niederließ.
Amanda nickte dumpf. Sie tat Holly furchtbar leid. Amanda hatte schon so viel durchgemacht.
Dann murmelte ihre Cousine: »Er hat uns schon etwas angetan. Er hat tatenlos zugesehen, wie Mom... Sie hätte einen stärkeren Mann gebraucht.«
Holly tauschte einen schockierten Blick mit Silvana. »Amanda, du gibst deinem Vater doch nicht die Schuld an der... dass deine Mom zu Michael Deveraux gegangen ist.« Sie brachte das Wort »Affäre« nicht über die Lippen.
Silvana fügte hinzu: »Um Himmels willen, Amanda, Michael Deveraux hat deine Mutter behext!«
Amanda ballte die Fäuste. »Das wäre nicht nötig gewesen. Sie hätte...« Sie holte tief Luft. »Daddy weiß nichts davon, aber Michael war nicht der Erste.«
»Oh, Mandy, nicht doch«, sagte Holly leise.
»Doch. Doch.« Sie presste die Fingerspitzen gegen die Stirn. »Ich habe auch ihre anderen Tagebücher gefunden, gleich nach der Beerdigung. Ich habe sie gelesen und sie danach verbrannt. Aber Daddy hat das aktuelle Tagebuch, in dem es um Michael ging, vor mir gefunden.«
Die anderen waren sprachlos. Holly dachte an ihre Eltern und daran, wie unglücklich sie miteinander gewesen waren. Ist einer von beiden fremdgegangen?
Den Gedanken konnte sie nicht ertragen.
Plötzlich zerriss ein dreistimmiges, ängstliches Kreischen die Stille. Es waren die Katzen, die vor Entsetzen laut jaulten, wie der Blitz die Treppe heruntergesaust kamen und ins Wohnzimmer jagten, wo Bast Holly einen toten Vogel zu Füßen legte. Er war etwa sechzig Zentimeter lang, zu groß, als dass eine Katze mit Basts Statur ihn hätte erlegen können, und glänzend schwarz. Blut tropfte von seiner Brust auf den Teppich. Er lag auf der Seite, und ein totes Auge stierte zu Holly empor.
Amanda und Silvana sprangen auf. Tante Cecile beugte sich über die grausige Trophäe der Katze und murmelte eine Beschwörung. Sie zog eine Hühnerkralle aus der Tasche ihrer Jeans und führte sie durch die Luft über dem Kadaver, dann darum herum. Silvana kam ihr zu Hilfe. Sie murmelten in einer Sprache vor sich hin, die Holly nicht kannte, also nahm sie Amandas Hand und sagte: »Unsere Banne halten, wie innen, so auch außen. Der Kreis ist fest und sicher.«
Amanda fiel ein. »Wir sind Hexenschwestern, stark im Geist und tapfer im Herzen. Wir verlangen den Schutz der Göttin, denn wir sind ihre Kinder.«
Plötzlich flatterte und raschelte es im Kamin, als versuchten Vögel hinauszufliegen. Bast sprang auf Hollys Schoß, stellte sich auf die Hinterbeine und legte die Vorderpfoten auf Hollys Brust. Ihre gelben Augen blickten starr in Hollys. Holly starrte zurück. Hecate miaute kläglich, immer wieder.
Kälte kroch durch den Raum. Holly spürte beinahe eine Hand auf ihrer Schulter und zuckte leicht zusammen. Tante Cecile beobachtete sie aufmerksam und sagte: »Sie ist bei uns.«
»Sie?«, fragte Holly.
Tante Cecile starrte Amanda an, die sich im Wohnzimmer umblickte und rief: »Mom?«
»Nein, Amanda«, erklärte Tante Cecile traurig. »Isabeau.«
Holly schluckte. Amanda nickte enttäuscht, konzentrierte sich aber auf ihre Aufgabe und atmete tief durch. Sie murmelte: »Sei gesegnet.«
»Sei gesegnet«, sagte auch Holly.
Tante
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