Hexentochter
Bild von einer Flamencotänzerin geprägt war.
Nicole sog den köstlichen Duft ein, brachte alles zur Badewanne und drehte die Wasserhähne auf. Die Wanne war gereinigt - wahrscheinlich hielt der Mann, der José Luis auf so seltsame Weise begrüßt hatte, diesen Unterschlupf sauber. Dafür war sie dankbar. Und doppelt dankbar war sie für Philippes fürsorglichen Vorschlag mit dem heißen Bad.
Fürsorglich? Sie belächelte sich selbst. Sei ehrlich, Nicki. Da ist mehr, und ihr spürt es beide.
Auf dem Boden der Wanne lag ein Gummistöpsel. Sie steckte ihn in den Abfluss und ließ das Wasser einlaufen. Während sie wartete, wurde ihr Kopf schwer, und sie dachte: Ich muss aufpassen. Sonst schlafe ich da drin noch ein.
Aus dem anderen Zimmer hörte sie eine Männerstimme einen leicht monotonen Gesang anstimmen. Die anderen wiederholten den Singsang. Dann sang wieder die erste Stimme, und die anderen antworteten.
Sie beten.
Tief in ihrem Innern erkannte uraltes Blut den Rhythmus, die traurigen, sanften Melodien. Ein Teil von ihr kannte diese Worte, diese Klänge - ein Teil ihres Blutes, ihres Geistes und ihrer Seele.
Die Cahors haben früher in einem katholischen Land gelebt. Reicht mein Geist so weit zurück in die Vergangenheit wie Hollys?
Nachdenklich schälte sie sich aus den schmutzigen Kleidern und stieg vorsichtig in die Wanne. Während sie ihren erschöpften Körper in das warme Wasser hinabsinken ließ, stöhnte sie leise, als sich schmerzende Muskeln entspannten. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt richtig entspannt hatte.
Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und lauschte dem Choral. Ihre Gedanken begannen zu treiben... Sie dachte an glücklichere Zeiten, als Mom noch gelebt hatte und sie beide gerade die Magie für sich entdeckt hatten. Sie hatten damit begonnen, jeden Abend die Familie zu segnen, und Nicole hatte gehofft, dass ihre Mutter die Affäre mit Michael beenden würde; dass sie, Nicole, einen Funken zwischen ihren Eltern erwecken könnte, damit sie einander wieder liebten.
Und dass ich Eli zu einem besseren Menschen machen könnte ...
Ich habe ihn geliebt.
Tränen rannen ihr übers Gesicht, als sie endlich ihre Anspannung losließ und sich erlaubte, ihre Trauer richtig zu fühlen. Ihre Mutter war tot.
Ich vermisse Amanda. Und Holly. Und meine Katze. Ach, wie sehr ich Hecate vermisse.
Und dann trieb sie dahin... trieb und schaukelte ... auf dem Wasser... einen Fluss entlang. Sie war die Herrin der Insel, und sie durfte es nicht wagen, den dort Gefangenen anzusehen. Wenn sie ihn betrachtete, würde sie den Verstand verlieren, weil er so abscheulich war...
»Nicki...«, hörte sie eine Stimme. »Nicki, wo bist du? Mein Vater schickt den Bussard nach dir aus. Lass mich dich vorher finden.«
»Eli?«, nuschelte sie. Ihre Glieder waren so schwer, und ihr Kopf wog eine Tonne. Ihr war bewusst, dass sie tiefer ins Wasser glitt, in den wunderschönen Fluss, der an der Insel vorüberzog... auf der... Jer ...
»Nicki?«
Sie versank ganz langsam, wie Ophelia mit Lilien und Stechpalmenzweigen im Haar. Noch tiefer hinab, bis das Wasser ihr Kinn liebkoste. Und noch weiterstieg, an ihre Unterlippe ...
Sie trieb vor sich hin, während irgendwo Männer heilige Worte sangen und Eli flüsternd zu ihr sprach...
Und das Wasser stieg über ihre Oberlippe. Durch die geschlossenen Augenlider wurde sie auf magische Weise einer Person gewahr, die neben der Badewanne stand und in einer Sprache, die sie nicht beherrschte, mit ihr sprach. Doch wie das bei Träumen und Zaubern oft ist, verstand sie: »Wach auf, Nicole. Wach auf, sonst stirbst du.«
Doch Nicole konnte sich nicht rühren. Eine seltsame Mattigkeit war über sie gekommen. Sie ließ sich tiefer ins Wasser rutschen... Es war so warm, so einladend ... und sie war so furchtbar müde ...
Des Lebens müde...
Die sanfte Frauenstimme sagte ängstlich in derselben melodiösen, fremden Sprache - das ist altes Französisch, erkannte Nicole - »Der Fluch ist Wasser...«
Vier
Dunkler Mond
Sei nun bereit, Haus Deveraux
An unseren Feinden Rache zu nehmen
Wir beten und fluchen und planen
Mit Umsicht, das Schlimmste zu verüben
Wir mauscheln unter dem Himmelszelt
In den Augen das Dunkel gespiegelt
Wir halten still und schmieden Ränke schon
Das Haus Deveraux zu stürzen
Holly und Amanda: Seattle, im Oktober
Holly und Amanda passten abwechselnd auf Onkel Richard auf, der sturzbetrunken zusammengesackt war und zu schnarchen
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