Hexentochter
Tatsache, dass er der Wahrheit entsprach. Langsam stand sie auf, und Energie kribbelte in ihren Fingerspitzen.
»Ich werde gehen, und deine Erlaubnis brauche ich dazu nicht.« Sie wandte sich ab.
Amanda sprang auf. »Holly, bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass Michael so etwas absichtlich tun könnte, um uns zu trennen? Ohne Nicole sind wir schwach. Wenn du gehst, sind wir noch schwächer. Soweit wir wissen, ist Jer tot. Wie hätte er das Schwarze Feuer überleben können? Wir haben doch beide gesehen, wie es ihn verbrannt hat.«
Holly schlug mit der Faust auf den Tisch, denn sie konnte ihre Verzweiflung nicht länger zügeln. »Und wer war daran schuld? Uns ist nichts passiert, bis ihr mich von ihm weggezerrt habt!«
»Hast du den Verstand verloren?«, fragte Amanda, die nun ebenfalls laut wurde. »Das Gebäude ist um uns herum eingestürzt. Das Feuer hat alles vernichtet. Was hätte ich denn tun sollen, dich einfach zurücklassen?«
Tränen liefen Holly über die Wangen. »Zusammen wäre uns nichts passiert. Unsere gemeinsame Magie ...«
»Das ist Isabeaus und Jeans gemeinsame Magie«, fiel Amanda ihr ins Wort. »Das hat mit euch beiden nichts zu tun. Ihr seid nur die ahnungslosen Wirtskörper. Das wart ihr an jenem Abend, und so wollen sie es wieder haben. Sie wollen euch beide benutzen, für ihren eigenen abartigen kleinen Tanz.«
Hollys Finger krümmten sich, und sie sah kleine Funken an ihren Fingerspitzen tanzen. »Jer und ich haben unsere eigene Magie, die nichts mit ihnen zu tun hat.«
»Ach, tatsächlich?«, schleuderte Amanda ihr entgegen. »Oder bist du vielleicht einfach scharf auf einen Deveraux?«
»Aber ich habe geträumt, dass ...«
»Manchmal sind Träume eben nur Träume!«, schrie Amanda. »Nicht jeder deiner Träume bedeutet etwas! Du machst dir was vor, weil du ihn unbedingt haben willst, Holly! Werd endlich vernünftig!«
»Ach ja? Wie kommt es dann, dass ich jetzt ein Sehvermögen habe wie Superman?«
Amanda zögerte verblüfft. Dann sagte sie widerstrebend: »Okay. Das weiß ich auch nicht.«
Holly holte tief Luft. »In meinem Traum hat die Frau meine Augen berührt, und ich konnte alles schärfer sehen, klarer. Als könnte ich einfach alles sehen. Und ich kann >sehen<, dass ich ihn suchen soll.« Sie griff nach der Krispies-Schachtel und hielt sie Amanda hin. »Geh da rüber«, befahl sie ihrer Cousine.
Amanda betrachtete sie einen Moment lang. Dann ging sie auf die andere Seite der Küche und hielt die Schachtel in Hollys Richtung. »Lies mir die Zutaten vor.«
Holly konzentrierte den Blick auf die Schachtel und begann die Zutatenliste abzulesen. »Reis, Zucker, Salz, Fruktose, Maissirup, Malzaroma.«
Langsam kehrte Amanda an den Tisch zurück und stellte die Schachtel wieder hin. Sie musterte Hollys Augen. Holly bemühte sich, sie nicht zusammenzukneifen. Dann seufzte Amanda und setzte sich. »Was zum Teufel ist Malzaroma?«
Holly zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Zumindest hast du jetzt gesehen, dass ich nicht lüge.«
Amanda wollte darauf offenbar lieber nicht eingehen. »Trotzdem, Holly, ich will nicht, dass du gerade jetzt Jer suchen gehst. Hab ein bisschen Geduld. Wir überlegen uns gemeinsam etwas.«
»Ich kann keine Geduld haben. Jer bleibt vielleicht nicht mehr viel Zeit«, sagte Holly leise.
Sie wandte sich ab und ging hinaus. Es hatte keinen Zweck, länger darüber zu streiten.
Sie würden sich nicht einigen.
»Du kannst mich hier nicht alleinlassen!«, schrie Amanda ihr nach. »Er wird uns umbringen, Holly! Er benutzt dich nur!«
Bekümmert lief Holly in ihr Zimmer, knallte die Tür zu, griff nach der Vase auf ihrem Nachttisch und schleuderte sie durchs Zimmer.
Tommy.
Amanda schnappte sich ihre Handtasche, stapfte zur Tür hinaus, erwiderte Hollys Türenknallen und den Krach von oben - die blöde Kuh hat wahrscheinlich diese Vase zerschmissen. Das macht nichts, die war sowieso hässlich - und schwang gerade die Beine in den Kombi, als ihr etwas einfiel. Ihr Vater lag noch immer oben in seinem ohnmächtigen Zustand.
Soll Holly sich darum kümmern, entschied sie.
Sie wählte Tommys Nummer, während sie aus der Ausfahrt zurücksetzte. Es klingelte, und Erleichterung überkam sie, als er abnahm.
»Hallo?«
»Ich bin's«, sagte sie. »Es ist alles so verrückt.« Sie begann zu weinen. »Tommy, ich habe solche Angst, und es ist grässlich, und sie redet davon, uns alleinzulassen, und ...«
»Half Caff«, unterbrach er sie.
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