Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)
wirklich nicht. Großmutters Haus in Wales besaß nur fünf Zimmer, den Wohnraum eingeschlossen, eine Küche und einen Stall für zwei Ziegen und etwa ein Dutzend Hühner, die Agatha Baker alle mit Namen rief. Charlies Schlafzimmer daheim war heimelig, mit einem weichen Bett und einer Truhe, in der sie ihre wenigen Kleidungsstücke spielend leicht unterbrachte, aber dieses war geradezu luxuriös.
Dieser ganze Aufwand wirklich nur wegen der ersten Liebesnacht mit einer Succuba? Seine Reaktion auf ihre Worte, die sie ihm in Tante Hagas Haus, ebenso stürmisch wie dumm entgegen geschleudert hatte, war ihr nicht entgangen; nicht das jähe Aufblitzen in seinen Augen, nicht sein begehrlicher Blick. Anders war es auch kaum erklärbar, dass er eine Summe für sie geboten hatte, von der ihre Großmutter, sie und Theo daheim gut zwei Jahre hätten leben können. Und er hatte noch mehr getan, um sie in sein Bett zu bekommen: Er hatte zuerst sie gerettet und dann sogar Theo.
Da würde er sich schön wundern, dachte sie halb spöttisch, halb ängstlich. Zum einen war sie keine Succuba, und zum anderen war sie gar nicht sicher, ob die Geschichte auch stimmte. Sie hatte in keiner diesbezüglichen Literatur Genaueres darüber gefunden, und bisher auch nicht den Mut gehabt, Venetia zu fragen, die es ja wissen sollte.
Sie ging langsam durch den Raum, fuhr mit der Hand über die Kommode, besah sich die Bürste mit Elfenbeingriff, betrachtete nachdenklich die beiden mit duftenden Rosen gefüllten Vasen, die silbernen Kerzenhalter, die Chaiselongue, den hinter einem chinesischen Paravent verborgenen Waschtisch. Neugierig öffnete sie die Türen eines kunstvoll geschnitzten Schranks. Kostbare Kleider. Sie verzog geringschätzig den Mund und schloss die Türen wieder. Jetzt wusste sie, weshalb dieses Zimmer den Eindruck machte, als würde sie bereits erwartet. Veilbrook war offenbar darauf eingerichtet,jederzeit gemietete Damen unter seinem Dach zu beherbergen. Das war zu erwarten gewesen. Was nicht zu erwarten gewesen war, war ihr Ärger darüber.
Das nervöse Flattern in ihrem Magen verstärkte sich. Sie hatte ihm so gar nichts zu bieten, außer ihrer Jungfräulichkeit, und die war nichts anderes, als was er sich auch bei Tausenden anderen Mädchen holen konnte, die noch nie mit einem Mann zusammen gewesen waren. Sie verfügte nicht einmal über besondere Schönheit oder spezielle Kunstfertigkeiten, die seine Lust erhöhten. Er war sicherlich enttäuscht, vielleicht sogar wütend, wenn die Geschichte sich letzten Endes als reiner Aberglauben herausstellte. Sekundenlang war diese Erkenntnis so bedrückend, dass Charlies Schultern nach vorne sackten. Aber dann richtete sie sich wieder stolz auf. Da konnte sie ihm eben nicht helfen. Sie hatte ihm schließlich nichts vorgelogen! Er hatte sich in die Vorstellung verrannt in ihr etwas zu sehen, das sie in Wirklichkeit nicht war!
Jungfräulichkeit und körperliche Liebe waren kein Tabuthema in ihren Kreisen. Sie selbst hatte bisher nur deshalb kein sonderliches Interesse daran gehabt, weil sie bisher keinen Mann getroffen hatte, der es verstanden hätte, ihre Lust zu wecken. Nicht einmal Angelos Kuss, der zweifellos sehr versiert gewesen war, hatte ihren Pulsschlag besonders beschleunigt. Ganz anders als Veilbrooks nachfolgender Überfall. Warum also nicht mit einem Mann diese ersten Erfahrungen machen, der es verstand, Hitze und Leidenschaft in ihr zu erwecken, und der - wenn man den Erzählungen der Mädchen Glauben schenkte - auf diesem Gebiet auch noch einen herausragenden Ruf genoss.
Sie konnte bei diesem Handel nur gewinnen. Und Veilbrook musste dann selbst sehen, wie er mit der Enttäuschung und dem Verlust von einigen Hundert Pfund zurechtkam.
Als der Butler sie eine halbe Stunde später zum Dinner abholte, hatte Charlie Gesicht und Hände gewaschen, ihr Haar gebürstet, bis es glänzte, und es dann wieder auf einfache, aber kleidsame Art hochgesteckt. Die fremden Kleider hatte sie stolz verschmäht.
Veilbrook erwartete sie bereits. Er ging ihr, als sie eintrat, entgegen und ließ dabei prüfend seinen Blick über sie schweifen. „Du hast dich nicht umgezogen?“
„Wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte, Lord Veilbrook“, erwiderte Charlie spitz, „hatte ich keine Gelegenheit mehr, in die Loman Street zu fahren und Kleidung mitzunehmen.“
Veilbrook hob eine Augenbraue. Er war so dicht vor ihr stehen geblieben, dass Charlie den Drang bekämpfen musste, einen Schritt
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