Hexentraum
zusammen. Er spürte den Blick seiner Tochter. Die Frau, die sie geborgen hatten, Sasha, starrte ihn ebenfalls an. Nur sie drei waren noch auf und hielten Nachtwache, während die anderen schliefen.
Da sie nun alle lebendig oder tot gefunden hatten außer Holly und Nicole, redeten sie ständig von Rettungsmissionen. Sasha beharrte besonders darauf, dass jemand versuchen müsse, in die Nachtmahrgebiete der Traumzeit zu reisen und nach ihrem Sohn Jer zu suchen. Falls er denn noch lebte. Sein Körper zumindest war noch am Leben. Sie hatten ihn mehrere Meter neben der verkohlten Hütte gefunden. Irgendjemand hatte ihn dorthin getragen.
Da Holly wahnsinnig und besessen aus der Traumzeit zurückgekehrt war, stimmte fast niemand mit Sasha überein. Aber Richard konnte sie verstehen. Falls Jer noch lebte, mussten sie zumindest versuchen, ihn zu retten. Wenn er tot war, würden sie Gewissheit haben und konnten ihre Energie auf andere Dinge konzentrieren.
Sasha unterbrach seine Gedanken. »Sie haben im Krieg viel Schmerz erlebt.«
Das war eine Feststellung, keine Frage, und er sah sie überrascht an. »Ist das so offensichtlich?«
Sie lächelte schwach. »Für mich schon. Aber ich bin ja auch mit Schmerz vertraut.«
Er starrte sie an. Amanda hatte ihm erzählt, dass Sasha mit Michael verheiratet gewesen war und ihre beiden Kinder hatte zurücklassen müssen, als sie vor ihm und seiner Bösartigkeit geflohen war. Also konnte er sich gut vorstellen, dass sie mit Schmerz vertraut war... und mit Verlust.
Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich langsam darauf, wenn auch nur auf die Kante. »Ja, das glaube ich gern.«
Amanda blickte mit verwunderter Miene zwischen ihnen hin und her.
Richard beugte sich vor. »Ich habe ein Jahr im Dschungel verbracht. Wenig zu essen, noch weniger Schlaf, und jeden Tag sind Freunde gestorben. Immer wenn wir dachten, wir hätten ein paar Stunden Frieden gewonnen, war der Vietcong plötzlich wieder da, und die ratternden Schüsse übertönten beinahe die Schreie der Sterbenden. Und wenn ich nachts nicht wusste, ob ich den nächsten Sonnenaufgang noch erleben würde, konnte ich mich nur an einem festhalten: der Hoffnung, es nach Hause zu schaffen und den Rest meines Lebens in Frieden und Ruhe mit meiner Frau zu verbringen.« Er sah Amanda an, der die Tränen übers Gesicht liefen. »Wir wissen ja alle, was aus diesem Plan geworden ist«, fügte er bitter hinzu.
»Mom hat das nicht verstanden«, flüsterte Amanda gebrochen.
»Nein, hat sie nicht. Aber ich glaube, du verstehst es«, sagte er und strich seiner Tochter über die Wange. »Es tut mir so leid, Kleines. Ich würde alles darum geben, wenn ich dir diesen Kummer und die Angst hätte ersparen können.«
»Ich weiß, Daddy«, entgegnete sie erstickt. Dann schlang sie die Arme um seinen Hals, und er hielt seine Tochter an sich gedrückt, während sie zusammen weinten, jeder um sich und um den anderen. Sasha legte ihm eine Hand auf den Arm, und er konnte auch ihren Schmerz spüren und die Traurigkeit, die sie mit ihnen teilte. In diesem Augenblick wusste er, dass er ihren Sohn finden musste.
Santa Cruz: Der Mutterzirkel
Luna, die Hohepriesterin des Mutterzirkels, war fassungslos. Sie hatte die Göttin um Hilfe bei der Suche nach Holly gebeten. Stattdessen hatte die Göttin ihr eine andere Cathers-Hexe gezeigt.
»Göttin, wie ist das möglich? Wen sehe ich da?«
Eine graue Katze mit gelben Augen huschte in den Raum und setzte sich vor sie hin. Dann öffnete die Katze das Maul, und eine hallende Frauenstimme drang heraus:
»Was du suchst, war hundert Jahre lang verloren. Zwei Schwestern wurden voneinander getrennt. Die eine lebte in der Stadt der Teufel, die andere blieb bei ihrem Vater. Beide ereilte der Tod, und die Söhne, die sie geboren hatten, konnten den Weg allein nicht finden. So vergaßen ihre Nachkommen, wer sie waren. Das Haus Cahors war beinahe verloren.«
Luna saß da wie vor den Kopf geschlagen und wagte kaum zu atmen, geschweige denn zu sprechen. Die Göttin war erst zwei Mal auf diese Weise zu ihr gekommen, vor vielen Jahren. Sie neigte den Kopf und fühlte sich zutiefst unwürdig.
»Meine Göttin, ich habe nach Holly gesucht.«
»Und um zu ihr zu gelangen, musst du zuerst ihr Gegenstück finden. Suche die andere Hexe in der Stadt, über die die Finsternis herrscht. Suche nach dem Namen, der wieder einmal verändert wurde. Du suchst nach einer Person namens Carruthers, der allein es gelingen könnte, Hollys
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