Hexentraum
Passanten auf. Luna schüttelte langsam den Kopf, als jemand sie ansprach. Die junge Frau verdiente mit ihrer Bettelei mehr als die meisten Familien, die hier in den Urlaub flohen und ihr schuldbewusst ein paar Dollar schenkten.
Als die Frau Luna bedrängte, sah die Hohepriesterin ihr tief in die Augen. »Ich finde, du solltest nach Hause gehen.
Sei keine Last für die Gesellschaft, sondern arbeite daran, sie zu verbessern.«
Benebelt nickte die junge Frau und wandte sich ab. Die Wirkung dieser Hypnose würde in ein paar Stunden verfliegen, doch zumindest hatte Luna damit dem jungen Paar aus Ohio, das die Bettlerin sich als Nächstes hatte vornehmen wollen, ein wenig Frieden erkauft.
Luna eilte weiter zum Ausgang und hielt ihre kleine Reisetasche gut fest. Los Angeles war ein gefährliches Pflaster, sogar für eine Hexe. Und irgendwo in all diesem Chaos und Irrsinn war ein junger Mann, den sie jetzt finden musste. Sie konnte nur beten, dass sein Herz noch nicht von dem Bösen um ihn herum verdorben worden war. Sie betete dafür, dass auch er der Göttin diente. Dass er zumindest nicht dem Gehörnten Gott diente... oder einem schlimmeren.
Draußen kämpfte ein Knäuel von Autos um die knappen Plätze am Bordstein. Lautes Hupen und Gebrüll mischten sich mit den schrillen Pfiffen der Polizisten, die den Parkverkehr zu regeln versuchten. Der misstönende Lärm war ohrenbetäubend.
Luna ergatterte ein Taxi und stieg ein. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um dem Fahrer auch nur den Namen des Hotels mitzuteilen, zu dem sie wollte. Das Wilshire Grand war eines der berühmtesten Hotels von Los Angeles. Daher war es ihr ein Rätsel, warum sie solche Schwierigkeiten hatte, ihm das Ziel zu erklären. Seufzend sank sie auf dem Sitz zurück. Das würde keine einfache Reise werden.
Eine halbe Stunde später hielt das Taxi vor dem Hotel, und Luna zog die Fingernägel aus dem Rücksitz. Das muss mich zehn Jahre meines Lebens gekostet haben, dachte sie bitter. Die Fahrt war so haarsträubend gewesen, dass selbst ein gestählter Krieger seekrank und leichenblass vor Angst geworden wäre.
Luna checkte ein und wurde zu ihrem Zimmer begleitet. Sie hatte nicht viel auszupacken. Aber sie nahm sich die Zeit, das Zimmer mit Bannen zu schützen und diverse magische Arkana darin zu verteilen.
Sie ließ sich vom Zimmerservice ein leichtes Abendessen bringen und aß in aller Ruhe. Dann machte sie sich für den Abend zurecht. Sie zog ein schlichtes weißes Kleid an, dazu Silberschmuck in Mondformen. Ehe sie zur Tür ging, warf sie noch einen Blick in den Spiegel. Zeit fürs Theater.
Wenige Minuten später hatte sie das Ahmanson Theatre erreicht. Sie nahm ihr Programmheft entgegen und fand ihren Sitzplatz etwa zehn Minuten vor Beginn der Vorstellung. Diese Zeit nutzte sie, um in dem Heft zu lesen.
Das bedeutende Ahmanson Theatre war Schauplatz einer preisgekrönten Inszenierung von Das Phantom der Oper gewesen. Jetzt erlebte das Musical ein Comeback, und ein aufstrebender junger Star spielte das Phantom. Sie las seine Kurzbiographie mit einem belustigten Grinsen. Alex Carruthers hatte das Publikum im ganzen Land mit seiner Darstellung des gequälten Phantoms in seinen Bann gezogen. Alex spielte schon seit seiner Kindheit Theater. Seine erste Rolle war die des Winthrop in einer Aufführung des Musicals The Music Man auf einer lokalen Bühne gewesen. Nach der Highschool hatte er eine renommierte Schauspielschule in Los Angeles besucht. Mit dreiundzwanzig Jahren war er der jüngste Schauspieler in Das Phantom der Oper.
Das Licht im Theater wurde kurz gedimmt - das Signal für die Zuschauer, ihre Plätze einzunehmen. Fünf Minuten später hob sich der Vorhang. Bis zum Ende des ersten Aktes war Christine, die schöne Heldin der Geschichte, nicht die Einzige, die das Phantom in seinen Bann gezogen hatte.
Alex Carruthers hatte das gesamte Publikum hypnotisiert.
Er setzte sich in Szene, und die Leute hingen an seinen Lippen. Luna beobachtete seine Darbietung. Als er zu dem Song »Von nun an gibt es kein Zurück« kam, war die sexuelle Erregung, die jede Frau im Saal verströmte, geradezu überwältigend. Und am Ende des letzten Aktes weinten sogar die Männer.
Nachdem die Darsteller fünf Mal vor den Vorhang gerufen worden waren, um den tosenden Applaus entgegenzunehmen, ging das Licht an, und die Leute drängten zu den Ausgängen. Luna blieb noch einen Moment lang sitzen und wartete, bis sich ihre Reihe geleert hatte.
Der junge Mann war
Weitere Kostenlose Bücher