Hexentraum
hauchte sie.
»Ich auch nicht. Ich schwöre dir, Veronica Cathers, dass meine Fehde mit dir und den deinen hier endet. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um die Deveraux von ihrer Rache abzubringen.«
»Und ich werde mich bemühen, Frieden zwischen unseren Familien zu stiften, für den Rest meines Lebens.«
Sie küssten sich und bissen sich gegenseitig in die Lippen, bis sich ihr Blut vermengte und den Schwur besiegelte.
»Für den Rest meines Lebens«, wiederholte sie.
»Für den Rest meines Lebens«, flüsterte er zurück.
Als sie sich erneut zu lieben begannen, ahnte keiner von beiden, wie kurz diese Spanne sein würde.
Die Erde stöhnte qualvoll, als läge sie in den Wehen. Ein Krampf durchlief sie, und sie gebar Schmerz, Pein und Trauer.
Das Erdbeben schlug ohne Vorwarnung zu und riss Veronica aus dem Schlaf. Ihre Glieder waren mit Marcs verschlungen. Auch er setzte sich auf. Ehe sie einen Zauber rufen konnte, waren Schreie und Explosionen zu hören. Ein gewaltiges Ächzen ging durch den Raum, und der Boden gab nach.
Brände wüteten nach dem Erdbeben in der Stadt. Tausende Menschen waren tot oder lagen im Sterben, und die Stadt hatte das Kriegsrecht verhängt. Das war ein hoher Preis, doch er war es wert.
Duc Laurent und Gregory Deveraux betrachteten die Ruinen des Valencia Hotels. Alle vier Stockwerke waren eingestürzt. Gregory stand da und hatte nicht einmal eine Träne für seinen Bruder übrig. Der geisterhafte Duc lächelte. »Es gab keine Überlebenden?«
»Keinen einzigen«, antwortete Gregory.
»Ausgezeichnet. Du hast deine Sache gut gemacht.«
Los Angeles: 18. April 1906,11.50 Uhr
Ginny Cathers stand mit Hunderten von Leuten auf der Straße und las die riesigen Anschlagtafeln, auf denen die letzten Neuigkeiten aus San Francisco veröffentlicht wurden. Gott schütze sie, dachte sie. Tags zuvor hatte sie ein Telegramm von Veronica bekommen, in dem stand, sie sei in San Francisco und denke daran, für ein paar Tage nach Los Angeles zu Besuch zu kommen, sobald sie ihre geschäftlichen Angelegenheiten in der Stadt erledigt habe.
Alle paar Minuten wurden die Namen von Toten und Vermissten ausgehängt. Während immer mehr Gebäude den Nachbeben oder den Bränden zum Opfer fielen, die in San Francisco wüteten, wurden die Listen stetig länger. So viel Tod. So viel Leid, dachte Ginny. Ihre Gedanken wandten sich ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn zu, die mehrere Kilometer entfernt zu Hause und in Sicherheit waren. Gott schütze sie.
Das hier ist zwecklos. Ich weiß ja nicht einmal, in welchem Hotel sie abgestiegen ist, dachte sie. Plötzlich hob sich der Boden unter ihren Füßen. Schreie erschollen aus der Menschenmenge, als die Erde erbebte. Es war ein leichtes Beben, nicht schwer genug, um ernsten Schaden anzurichten, doch die Leute, die hier auf Nachrichten und die jüngsten Opferzahlen aus San Francisco warteten, wussten das nicht.
Die Menge geriet in Bewegung. Die Leute rannten fort, als könnten sie einem Erbeben irgendwie entkommen. Ginny wurde von der panischen Menschenmenge mitgerissen. Sie rannte, weil ihr gar nichts anderes übrig blieb. Ein schreiender Mann schlug sich wild durch das Gedränge und prallte gegen Ginny. Er rannte weiter, aber Ginny strauchelte. Jemand anders stieß sie von hinten, und sie stürzte und landete schmerzhaft auf dem Handgelenk. Sie versuchte sich aufzurappeln, aber jemand trat auf ihren Rücken und drückte sie in den Schmutz. Plötzlich rannte der Mob über sie hinweg. Sie versuchte zu schreien, doch ihre Stimme ging in der Panik unter.
Jemand trat sie im Vorbeilaufen, und sie spürte, wie ihre Rippen splitterten. Schmerz fuhr ihr wie ein Messer durch die Brust, und sie begann zu husten. Wieder lief jemand über ihren Rücken hinweg, ein anderer trat auf ihren heilen Arm.
Sie versuchte, sich aufzurichten, aber es war zwecklos - Knochen brachen, und Muskeln gaben einfach nach, während die Menge sie zertrampelte. Ich werde sterben, erkannte sie voller Grauen. Sie hob den Blick, und von einer Wunde an ihrem Kopf rann ihr Blut in die Augen. Vor sich sah sie eine Frau in Weiß ruhig im Gedränge stehen. Die Leute schienen einfach an ihr vorbeizulaufen, und Ginny blinzelte heftig, als sie ein Pärchen durch sie hindurch rennen sah.
»Ma petite, ich werde über dein Kind wachen«, sagte die Frau.
Ich glaube dir, dachte Ginny mit ihrem letzten Atemzug.
Sechs
Freya
Wir treiben unser tödliches Spiel
Das Böse, das einen Namen trägt
Wir
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