Hexentraum
Amanda war sehr erleichtert.
Als Letzter kam Alex, und im Gegensatz zu den anderen sah er frisch und erholt aus. Philippe beneidete ihn darum. Die Mitglieder des Mutterzirkels, von denen einige schon Stunden auf waren, schienen die Küche zu meiden. Nicht einmal Luna war da, obwohl sie in den vergangenen Tagen viel Zeit mit ihnen verbracht hatte.
Philippe betrachtete die wenigen Leute, die von ihrem Coven übrig waren. Sasha und Richard standen nebeneinander. Sie waren die Eltern der Kinder, die in diesem Krieg mit die Hauptrollen spielten. Er wusste, dass die beiden einander in letzter Zeit ein großer Trost gewesen waren. Barbara Davis-Chin saß an einem der Tische, nippte an ihrem Tee und beobachtete die anderen. Er wusste, dass Armand und Pablo ein Stück hinter ihm standen und sich ernst auf Spanisch über alles unterhielten, was Pablo ihm mitten in der Nacht erzählt hatte. In einer Ecke steckten Tommy und Amanda ebenfalls die Köpfe zusammen. Er hatte einen Arm um sie gelegt, und Philippe brauchte nichts von Pablos besonderen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass Amanda sowohl aufgeregt als auch besorgt war wegen der Neuigkeiten über ihre Schwester. Alex Carruthers war der Zehnte in der Gruppe.
Schließlich hatte jeder das Neueste über die vermissten Gefährten erfahren. Alex räusperte sich, und alle wandten ihre Aufmerksamkeit ihm zu.
»Ich habe mit Luna gesprochen, und sie hat uns großzügigerweise den Privatjet des Mutterzirkels angeboten; außerdem alles, was sie an Ausstattung und Leuten erübrigen können. Wir müssen Nicole retten, und wir müssen den Kampf zu unseren Feinden tragen. Die Anführerin dieses Covens ist nicht mehr da, und wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass sie möglicherweise nie zurückkehren wird. Falls doch, werden wir sie mit offenen Armen willkommen heißen. Aber bis zu diesem Tag braucht der Coven einen Anführer. Ich leite meinen Coven zu Hause, und ich schlage vor, dass ich diesen Coven in die Schlacht führe. Dafür gehören euch mein Leben, meine Treue, meine Fähigkeiten und mein Wissen.«
Ein Raunen ging durch die Gruppe, doch niemand sprach laut. Von allen Anwesenden war Philippe der Einzige, der je einen Coven angeführt hatte. Diese Rolle hatte ihm nie gefallen - er fühlte sich als zweiter Mann grundsätzlich wohler. Dennoch war es an ihm, für die beiden anderen Anführer zu sprechen, die nicht anwesend waren. Können wir ihm vertrauen?, fragte er Pablo lautlos.
Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass wir ihn brauchen und seine Hilfe wichtig für uns ist, antwortete der Junge in Philippes Gedanken.
Die wir vermutlich nicht bekommen, wenn wir ihm die Führungsrolle verweigern?
Das kann ich dir nicht sagen.
Philippe nickte langsam. Wir werden es wohl riskieren müssen. Wenn er uns helfen kann, Nicole zu retten, bleibt uns nichts anderes übrig. Laut sagte er: »Ich wäre damit einverstanden, dass du uns vorübergehend leitest, solange die beiden anderen Anführer nicht anwesend sind.« »Dann stimmt ihr also zu?«, fragte Alex.
»Wir stimmen zu«, antwortete Amanda, den Blick auf Philippe gerichtet.
»Gut. Wir sollten die entsprechenden Rituale gleich durchführen und uns dann noch ein bisschen ausruhen. Morgen fliegen wir nach England. Die Hälfte von uns geht nach Avalon, um Nicole zu retten, und die andere Hälfte greift das Hauptquartier des Obersten Zirkels an.«
Als die anderen nach Luft schnappten, dachte Philippe: Bei der Göttin, was hast du da getan?
Auch in dieser Nacht fand Philippe keinen Schlaf. Er durchlebte die Ereignisse des Tages noch einmal, von seiner Entscheidung in der Küche bis zu der Zeremonie, die Alex zum Hohepriester des Zirkels machte. Den restlichen Tag über hätten alle ausruhen und meditieren sollen, doch Philippe war beides unmöglich gewesen.
Alex war vor allen anderen ins Bett gegangen. Die Übrigen waren lange zu erschöpft und fassungslos gewesen, um Schlaf zu finden. Philippe blickte zu Pablo hinüber. Der Junge träumte, und Philippe beobachtete ihn eine Weile dabei. Freude und Schmerz wechselten sich rasch auf dem jungen Gesicht ab. Philippe fragte sich, was er wohl träumte und ob seine Träume wahre Visionen der Zukunft zeigten oder fantasievolle Spiele seines Geistes waren.
Er legte sich wieder auf den Rücken und starrte an die Decke. Er hatte sich noch nie so unwohl gefühlt wie in den Tagen, seit Nicole entführt worden war. Sie ist ein Teil von mir, wie auch ich ein Teil von ihr bin. Es ist, als
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