Hexenvisionen: Romantic Thriller (German Edition)
Helen ging. Konnte es wirklich wahr sein, dass Sir Thomas weitergehende Gefühle für die Frau hegte? Jenkins hätte nichts dagegen gehabt. Aber im Augenblick war es erst einmal viel wichtiger sie zu finden, anstatt sich aufzuregen.
„Wir sollten weitersuchen, langes Diskutieren bringt uns nichts“, sagte es deswegen ruhig.
Sir Thomas riss sich zusammen. „Sie haben vollkommen recht. Es ist nur so, dass ich mir ernsthafte Sorgen um sie mache.“
„Ja, ich verstehe, Sir.“
Die beiden Männer suchten weiter, jetzt durch den scheinbaren Erfolg beflügelt. Helen war hier gewesen, vor sicher gar nicht langer Zeit. Sie konnte also noch nicht weit weg sein.
Schließlich fanden sie auch, was sie gesucht hatten.
Und sie wurden Zeugen eines grauenhaften Rituals.
*
Helen hatte die ganze Zeit überlegt, wie sie O’Bannon doch noch entkommen konnte. Aber eigentlich gab es keine Möglichkeit. Er blieb immer zwei Schritte hinter ihr, also viel zu weit entfernt, um ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Er hatte ihr Dalrinas Taschenlampe gegeben, und sie leuchtete auf den Weg, während er sie dirigierte.
Es ging nicht zurück in den Raum, in dem sie die ganze Zeit gefangen gewesen war. Stattdessen öffnete sie irgendwann auf O’Bannons Geheiß eine Tür und betrat gleich darauf einen seltsamen Raum.
Ein schwarz verhängter Altar stand in der Mitte, Kerzen in schwarz und rot befanden sich dort aufgestellt und auch rechts und links in schweren metallenen Ständern.
Auf einem kleinen Tisch lag ein uraltes, sicher wertvolles Buch, und Moira, die Gildenmeisterin, drehte sich erstaunt zu den beiden um.
„Ich habe dich schon gesucht“, sagte sie etwas ungehalten zu O’Bannon. „Was hast du gemacht? Und was soll sie jetzt hier?“ Sie deutete mit dem Kopf auf Helen.
Er grinste freudlos. „Unser Gast wollte sich ohne Abschied, aber in Begleitung von Dalrina empfehlen“, erklärte. „Leider ist unsere Schwester bei einem bedauerlichen Unfall ums Leben gekommen.“
„Schade. Sie war unter Umständen sehr nützlich“, erklärte Moira leichthin.
„Ist das alles, was Ihnen dazu einfällt?“, fuhr Helen empört auf. „Kein Wort des Bedauerns, kein Mitleid? Sie war eine reizende, nette Frau. Und Sie reden über ihren Tod, als wäre sie ein - ein Ding gewesen.“
„Sie denken viel zu gefühlsbetont“, erklärte Moira trocken.
„Sehen Sie mich auch so?“, fragte Helen plötzlich aggressiv. „Als Ding, als Gegenstand, der einen Nutzen hat? Und wenn ich keinen Nutzen mehr habe, dann beseitigen Sie mich mit dem gleichen Mitgefühl wie Dalrina? Sagen Sie schon? Ist es das, was Sie vorhaben? Mich zu benutzen und dann wegzuwerfen, wie ein gebrauchtes Papiertaschentuch.“
„Sie sind sehr aufgeregt“, sagte O’Bannon weich.
Da war sie wieder, diese betörende, beschwörende Stimme, die sich tief in Helens Unterbewusstsein senkte. Die Reporterin wollte eigentlich weiter empört bleiben, doch sie spürte, wie sie sich etwas beruhigte und entspannte, wider Willen.
Moira öffnete eine Tür, die scheinbar zu einem Schrank gehörte und holte ein Glas mit einem Getränk darin hervor und reichte es Helen.
„Hier, trinken Sie das“, empfahl sie. „Danach werden Sie sich etwas beruhigen. Schließlich wollen wir Sie nicht unnötig aufregen.“
Helen warf das Glas mit Schwung gegen die Wand, dass es zersplitterte und den Inhalt großzügig verspritzte.
„Ich will mich nicht beruhigen, und ich werde auch nichts von Ihnen annehmen. Wer weiß, was da wieder drin ist. Ich kenne mittlerweile Ihre Vorliebe für Drogen.“
„Sie machen es uns wirklich schwer, meine Liebe“, sagte O’Bannon, und wieder senkte sich seine Stimme tief in Helens Bewusstsein. „Wir haben noch eine Menge von diesem Mittel. Und früher oder später werden Sie es trinken, meine Liebe. Denn irgendwie werde ich Sie zu zwingen wissen, wenn Sie es nicht freiwillig tun. Aber Zwang wäre entwürdigend, finden Sie nicht?“
Helen überdachte ihre Lage und kam zu der Ansicht, dass er im Prinzip recht hatte, was natürlich nicht hieß, dass sie darüber besonders erfreut war. Aber ganz sicher wäre ihr nicht damit gedient, wenn der Mann sie erst fesseln musste, um ihr das Zeug einzutrichtern.
Zögernd und widerwillig nickte sie also langsam.
„Ich wusste ja, dass Sie ein vernünftige Frau sind“, stellte er befriedigt fest.
Er machte Moira ein Zeichen, die ein neues Glas hervorholte.
Helen trank langsam und noch immer von Widerwillen
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