Hexenwahn
müßten Sie mir schon Ihr Anliegen vortragen, damit ich entscheiden kann, ob Ihr Fall wichtig für Mr. Doyle ist oder nicht.«
»Toll«, erwiderte Bill. »Wirklich toll. Sagen Sie mal, Muttchen, wer sind Sie eigentlich?«
Mit Muttchen hatte Bill die Frau beleidigt. Sie bekam einen knallroten Kopf und schnappte nach Luft. Bill hätte natürlich noch mehr auf den Putz hauen können, aber es lag ihm einfach nicht, mit dem Geld seiner Frau zu prahlen, denn so etwas öffnet immer alle Türen. Er wollte es allein versuchen.
Muttchen Annabell holte tief Luft. Sie zitterte am gesamten Leib. »Raus!« sagte sie sehr ruhig, dann aber schon wesentlich schärfer.
»Raus, gehen Sie, bevor ich mich vergesse.«
»Nein!«
»Dann werde ich Sie hinauswerfen lassen, Sie - Sie…«
»Pst!« machte Bill, legte seinen Zeigefinger auf die Lippen, und Annabell schwieg tatsächlich. Der Reporter grinste breit und erkundigte sich dann: »Ist Doyle oben?« Sie nickte.
»Danke«, erwiderte Bill Conolly freundlich und schritt an dem Schreibtisch des Flugdrachen vorbei. Er hatte mit einem Fuß die unterste Stufe berührt, als er hinter sich ein Geräusch hörte, als zerplatze ein Ballon.
Bill drehte sich um. Annabell stand dort mit hochrotem Kopf und funkelnden Augen. Sie wußte nicht mehr, was sie sagen sollte, aber sie öffnete den Mund, um zu schreien. Das wäre nicht gut gewesen.
Es kam nicht dazu. Bill hatte sich umsonst Sorgen gemacht. Denn Schritte auf der Treppe ließen ihn aufhorchen. Er drehte den Kopf, schaute die breiten, teppichbelegten Stufenreihen hoch und sah Harold Doyle herunterkommen.
»Sir! Also Sir…«, würgte die gute Annabell und konnte nicht fassen, daß Doyle plötzlich die Hand ausstreckte und Bill Conolly begrüßte.
»Hallo, Bill. Was machen Sie denn hier? Welcher Wind hat Sie zu mir getrieben?«
»Der richtige.«
»Das wollen wir hoffen. Kommen Sie, wir gehen nach oben. Da können wir uns besser unterhalten.«
»Das ist nicht nötig, Harold. Wissen Sie, lange möchte ich nicht bleiben, wenn wir uns hier hinsetzen könnten, wäre mir das auch recht. Wirklich…« Bill lächelte.
»Ganz wie Sie wünschen, Bill.« Gemeinsam schritten die beiden Männer auf eine kleine Sitzgruppe aus hellem Leder zu, und die gute Annabell verstand die Welt nicht mehr. Daß sich ihr heimlich geliebter Chef mit so einem abgab, also nein, wirklich nicht. »Annabell, bringen Sie uns mal einen kräftigen Schluck zu trinken!« rief der Makler.
»Ja - ja, Sir.«
Doyle grinste dem Reporter zu. Er war ein Typ, den man schlecht durchschauen und einstufen konnte. Er gab sich jovial, und vom Aussehen her erinnerte er an den gemütlichen, leicht übergewichtigen Nachbarn von nebenan. Sein Gesicht war rund, Haare wuchsen nur noch spärlich auf seinem Kopf, und der graue Anzug wurde durch die dunkelrote Fliege am Kragen farblich aufgewertet. Schwer ließ er sich in den Sessel fallen und wartete, bis Annabell den Whisky gebracht hatte.
Er funkelte in geschliffenen Kristallgläsern.
Die Frau bedachte Bill mit keinem Blick, als sie wieder zu ihrem Schreibtisch schritt und sich dort niederließ.
Der Makler hob das Glas. »Cheerio, Bill, wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen. Was macht Ihre Frau?«
Bill hatte einen kleinen Schluck getrunken, nickte anerkennend, stellte das Glas weg und lächelte. »Ich kann nicht klagen, wirklich nicht. Wir sind zufrieden.«
»Das freut mich.«
»Sie nicht?«
»Na ja…«
»Ärger?«
Der Makler winkte ab. »Sie wissen ja, Mr. Conolly, sorry, Bill, jeder hat seine kleinen Probleme. Die schlechte Lage, Inflation, Zersplitterung der Parteien…«
»… und die Hexen«, vollendete Bill, obwohl er sicher war, daß Doyle dies sicherlich nicht hatte sagen wollen. Ein wenig zogen sich seine Augen zusammen, als er fragte: »Wie kommen Sie darauf?«
»Erinnern Sie sich an unser letztes Gespräch auf der kleinen Party?«
»Helfen Sie mir mal auf die Sprünge.«
Bill hatte sogar noch das Datum im Kopf und nannte es dem Makler. Der legte einen ausgestreckten Zeigefinger gegen die Wange und nickte. »Ja, selbstverständlich, ich erinnere mich wieder. Wir haben das Thema damals angeschnitten. Es lag auch in der Luft.«
»Wieso?«
»Denken Sie doch mal an die Publikationen, die jetzt auf dem Markt zu kaufen sind. Da erscheinen Bücher über Weissagungen des Mittelalters, da wird die Astrologie in den Himmel gehoben, wenn ich das mal so sagen darf, und die Menschen wenden sich mit großem Interesse den
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