Hexenwahn
die Männer gespürt haben, daß ich mich von meinem Vorhaben nicht abbringen ließ, denn sie sagten nichts mehr, zogen sich zurück und beobachteten aus sicherer Entfernung.
Die Hexe sah nur mich. Sie streckte ihre Arme aus und spreizte zehn Finger. »Du!« kreischte sie mir entgegen, daß es in meinen Ohren gellte. »Du willst mich aufhalten, du Narr?«
Ich erwiderte nichts, sondern ging einen halben Schritt zurück und holte mein geweihtes Silberkreuz hervor.
Hexen stehen mit dem Teufel im Bunde. Vor geweihten Insignien der Kirche hatten sie eine panische Angst. Sie haßten alles, was damit zusammenhing.
Während zwei Feuerwehrmänner auf der ausgefahrenen Leiter standen und aus den Schläuchen helle Wasserfontänen in die Flammen spritzten, so daß der weiße Dampf aus den Fensteröffnungen quoll und sich an der Hauswand ausbreitete, hielt ich der Hexe mein Kreuz entgegen. Sie erstarrte.
Ihren Augen war nichts passiert. Die Pupillen erinnerten mich an zwei unheimliche, schwarz angestrichene Kugeln, mit denen mich die Hexe anschaute.
Panik flackerte plötzlich in den Pupillen. Angst vor dem geweihten Kreuz!
»Nun?« fragte ich und ging langsam näher. Jetzt streckte ich meinen rechten Arm aus. Die Faust hielt das Kreuz umklammert. Der größte Teil ragte daraus hervor, und das geweihte Silber schien die Hexe zu bannen, denn im ersten Moment sagte sie nichts. Der Feuerhölle war sie entkommen, dem Kreuz würde sie nichts entgegenzusetzen haben. Das wußte sie. Sie ging zurück.
»Weg!« flüsterte sie. »Geh weg!« Die letzten beiden Worte schrie sie. Es war ein wildes Kreischen, das mich schon fast an das eines Tieres erinnerte.
»Du wirst deinem Herrn und Meister, dem Satan, den Tribut zollen«, erwiderte ich mit dumpfer Stimme. »Nicht umsonst hast du dem Teufel ewige Treue geschworen. Aber für Hexen ist kein Platz auf dieser Erde. Sie werden getötet. Wer und wie hat man dich zur Hexe gemacht, Judy Gray?«
»Der Teufel!« hechelte sie. »Mein Bräutigam, der Teufel. Ich habe die Hexenweihe empfangen, ich habe durch ihn die großen Zauberkräfte bekommen, und Wikka hat mich unter ihre Fittiche genommen.«
»Wo ist Wikka?«
»Nicht hier, Fremder mit dem Kreuz. Aber sie wird mir helfen. Sie wird kommen und alles an sich reißen, darauf kannst du dich verlassen. Du hast keine Chance. Niemals wirst du eine Chance haben. Wikka und der Satan sind mächtig. Auch dein Kreuz werden die anderen vernichten. In der Hölle wird es zerschmolzen!«
Während dieser haßerfüllt ausgestoßenen Worte war sie bis zur Hauswand zurückgewichen, stieß mit dem Rücken dagegen, blieb auch in der Haltung und lief parallel zur Wand entlang. Ich wußte, wohin sie wollte. Zum Eingang!
Wieder hinein in das Haus, das bestimmt mehrere Ausgänge hatte.
Eine Flucht durfte ihr nicht gelingen. Ich sprang vor.
Und dann hatte ich Pech. Bei den Löscharbeiten war das Wasser nicht nur in das Haus, sondern auch an der Hauswand entlang gespritzt worden. Es war nicht verdampft, sondern zu Boden gelaufen und hatte auf dem Bürgersteig Pfützen gebildet.
In einer dieser Pfützen stand ich und rutschte aus, als ich starten wollte.
Ich fiel nicht hin, sondern konnte mich durch eine geschickte Körperdrehung fangen, aber durch diesen kleinen Zeitverlust gewann die Hexe einen Vorsprung. Mir blieb nicht einmal Zeit, meine Beretta zu ziehen, um zu versuchen, sie mit einem gezielten Schuß zu stoppen.
Zudem drehte sie mir den Rücken zu, und irgendwie habe ich Hemmungen, jemanden in den Rücken zu schießen. Sogar bei einem Dämon. Jeder kann eben nicht aus seiner Haut.
Sie wischte wie ein Schemen in den Hauseingang. Einen Herzschlag später war sie schon nicht mehr zu sehen, denn Rauch und Qualm hüllten sie ein wie dicke Wolken. »Da! Da ist sie rein!« brüllte jemand.
»Los, Mister, laufen Sie doch hinterher. Machen Sie sie fertig!«
Ich nahm die Rufe nur mit einem Ohr wahr. Mit einem Satz sprang ich über die Schwelle.
Weit stand die Haustür offen. Auch in den oberen Etagen waren Fenster geöffnet. Dadurch entstand Zugluft, die den Rauch und den Qualm durcheinanderwirbelte und zu tanzenden Figuren formte, die durch den Hausflur und über die Treppe krochen. Ich blieb stehen. Schon wieder wurde ich mit Rauch, Feuer und Qualm konfrontiert. Allmählich hatte ich davon die Nase voll. Es war wie immer im Leben. Wenn etwas kam, dann direkt knüppeldick. Wie jetzt bei mir.
Von irgendwo tropfte und rann Wasser nach unten. Es hatte sich
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