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Hexenzorn

Titel: Hexenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Pratt
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riesiges,
froschartiges Wesen mit Mäulern an Ellbogen, Knien und - wie es ominöserweise heißt - anderen Gelenken. Sie stand auf Fleisch jeglicher Art. Während die anderen Götter versuchten, die Welt zu erschaffen, verschlang Tlaltecuhtli fröhlich alles, was sie gerade geschaffen hatten, was Tezcaltipoca und Quetzalcoatl schließlich dazu veranlasste, sie zu töten. Sie rissen sie in zwei Teile, ihr Oberkörper wurde die Erde, die untere Hälfte der Himmel.«
    »Ein großes Mädchen, dieses Fräulein Kröterich«, kommentierte Marla.
    »Manches an dem Mythos ist ziemlich poetisch«, sagte Hamil. »Aus Tlaltecuhtlis Körper entstanden der größte Teil der Kontinente und alles Pflanzenleben. Aus ihrer Haut und ihren Haaren wurden Bäume und Blumen, die Konturen der Gebirge folgen ihrer Gesichtsform, aus ihren Augen sprudeln Quellen und Brunnen, und aus ihrem Mund entspringen alle großen Flüsse. Die tiefsten Höhlen der Welt führen ins Innere ihres Körpers.«
    »Hübsch«, meinte Marla.
    »Schade nur, dass sie immer noch nach Fleisch und Opferblut verlangt. Bekommt sie es nicht, macht sie den Boden unfruchtbar, verursacht Naturkatastrophen und so weiter. Du weißt, wie die Azteken waren. Jede Ausrede, um Blut zu vergießen, war ihnen recht. Sie haben ihr mit Blut gesprenkeltes Obst geopfert. Tlaltecuhtli war die dunkle Seite der Erdgöttin, ihr Abbild wurde meist auf die Unterseite von Statuen geritzt. Sie hat auch noch andere, weniger klar überlieferte Eigenschaften. Ihr Mund wird manchmal als Tor zur Unterwelt beschrieben, und ich fand eine Darstellung von ihr, auf der sie die Seelen von toten Kriegern in der Form von Schmetterlingen und Kolibris ausspuckt.«

    Marlas Gedanken wurden zu Glas.
    »Kolibris?«
    »Ja. Ich weiß nicht, wie viel du über die Azteken weißt …«
    »Nur, was ich in schlechten Horrorromanen gelesen habe«, antwortete Marla. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, sie wusste ein wenig über ein paar ihrer Artefakte. Im Allgemeinen war ihr Bild der Azteken eines von blutlüsternen Menschenfressern - zumindest das der herrschenden Klasse -, und von ihrer Mythologie wusste sie nur wenig.
    »Okay. Nun, abgesehen von der Tatsache, dass sie pro Jahr etwa zwanzigtausend Menschen opferten, wobei Herzen und Gliedmaßen der Opfer die vorrangige Fleischquelle für die Oberschicht waren, hatten sie eine recht ausgefeilte Theologie. Sie glaubten, dass die eigentliche Lebenskraft im Blut zu finden ist und sich die Götter nur mit Blutopfern besänftigen lassen, um die Ordnung des Universums aufrechtzuerhalten. Diese Lebenskraft nannten sie Teyolia , und sie glaubten, sie wäre am stärksten, wenn man sie aus einem angsterfüllten Herzen extrahiert.«
    »Erzähl mir mehr über die Kolibris«, unterbrach Marla.
    »Es ist fast schon drollig, wenn man es damit vergleicht, wie viel Blut sie vergossen haben«, sagte Hamil. »Jedenfalls glaubten die Azteken, dass die Seelen der toten Krieger in der Gestalt von Kolibris auf die Erde zurückkehren können, manchmal auch als Schmetterlinge.«
    »Scheiße«, sagte Marla. »Vorhin sind uns zwei Kolibris gefolgt.«
    Hamil ächzte. »Glaubst du, es gibt eine Verbindung? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass das einfach irgendwelche Begleiter waren?«
    »Natürlich«, meinte Marla. »Trotzdem, irgendwie ist es
faszinierend. Kleine gelbe Frösche, Kolibri-Spione, gestohlene Statuen …«
    »Kleine gelbe Frösche?«, fragte Hamil.
    »Egal. Erzähl ich dir später.«
    »Ich hab noch was mit Kolibris entdeckt.« Marla hörte, wie Hamil durch Buchseiten blätterte. »Ja, Kolibris sind Krieger des Sonnengotts, mit dessen Namen du wahrscheinlich noch weitaus größere Probleme hättest als mit dem von Tlaltecuhtli.«
    »Hmm«, machte Marla, und in dem Laut lag ein ganzes Universum hochinteressanter Spekulationen.
    »Marla«, sagte Hamil, »ich weiß, dass du da in was ziemlich Interessantes reingestolpert bist, aber denk daran …«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich bin nicht hier, um mich in die hiesigen Angelegenheiten einzumischen. Ich bin nur hier, um dieses gewisse Etwas zu finden, das wir brauchen. Aber jemand hat Lao Tsung getötet, und ich habe gute Gründe anzunehmen, dass dieser selbe Jemand die Statue von Fräulein Kröterich gestohlen hat.«
    »Tja«, sagte Hamil. »Wahrscheinlich hätte ich wissen sollen, dass das kein einfacher Shoppingtrip werden würde.«
    »Das kannst du laut sagen, aber ich habe eine Spur, und vielleicht bekomme ich … das Objekt, nach dem

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