Hexenzorn
hier jemand mir nachspioniert.« Sie sah sich um. »Suchen wir eine Parkgarage. Irgendetwas mit niedrigen Decken. Oder noch besser einen Aufzug.«
»Neben diesem Kongresszentrum ist eine Parkgarage«, sagte Rondeau und deutete in die Richtung. Marla setzte sich unverzüglich in Bewegung, gefolgt von Rondeau und den Kolibris. »Finch ist irgendwie ein Vogelname, findest du nicht?«, meinte Rondeau.
Marla nickte. »Kam mir auch schon in den Sinn. Könnte Zufall sein, aber vielleicht auch ein Sympathiezauber oder ein Spitzname, den er bekommen hat, weil er ein Vogelliebhaber ist.« Marla schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich genauso wie damals zuhause, als ich noch nicht wusste, wie alles im Offenen und im Verborgenen zusammenhängt, als ich noch nicht mal die Namen der Leute kannte. Ich dachte,
ich hätte es hinter mir, unwissend und aufdringlich zu sein. Informiert und aufdringlich gefällt mir weitaus besser.«
»Willkommen im Ozean, kleiner Fisch«, sagte Rondeau.
Marla schnaubte. »Ich war schon immer ein großer Fisch. Manchmal muss ich nur eine Weile am seichten Ufer bleiben, das ist alles.«
Marla öffnete eine Metalltür zu einem Seiteneingang der Garage und wollte sie ganz höflich für die Kolibris aufhalten, aber die beiden Vögel folgten ihnen so dicht, dass sie die Garage praktisch gleichzeitig mit ihnen betraten. Marla schlug blitzschnell nach ihnen, doch schon waren die Kolibris wieder außer Reichweite.
»Diese kleinen Bastarde können sogar rückwärts fliegen, hast du das gewusst?«, fragte Rondeau. »Jedermann weiß, dass sie die einzigen Vögel sind, die in der Luft stehen bleiben können, aber rückwärts fliegen?«
»Die Natur steckt voller Wunder«, murmelte Marla und betrat die Garage. Beim Anblick der niedrigen Decken und nackten Rohrleitungen, der Öl- und Pissflecken auf dem Boden fühlte sie sich sofort zuhause. Dies war die Essenz ihrer Wahlheimat, zwielichtig und irgendwie illegal - oder warum sonst fanden so viele Geheimtreffen in Parkgaragen statt? Es roch nach Autoabgasen und kaltem Beton. Marla folgte den Schildern zum Aufzug und drückte auf den Knopf. Die zerkratzten Schiebetüren glitten auf, und Marla und Rondeau betraten den Aufzug, gefolgt von den Kolibris.
Die Türen schlossen sich wieder, und Marla grinste. Die Kolibris klebten quasi unter der Decke, aber der Fahrstuhl war nicht einmal zweieinhalb Meter hoch. Weit würden sie jetzt wohl nicht mehr kommen.
Marla öffnete ihren Lederrucksack und wühlte kurz darin herum. Dann zog sie ein Handtuch heraus, das sie aus dem Hotel gestohlen hatte. Sie stellte die Tasche ab, verdrehte das Handtuch, als wolle sie es auswringen, und machte einen Knoten in das eine Ende. »Geh ein Stück zurück, Rondeau«, sagte sie, und Rondeau presste sich an die Aufzugwand. Marla schwang das Handtuch probeweise einmal kurz durch die Luft.
Sofort flatterten die Kolibris vor Rondeaus Gesicht.
Marla ließ das Handtuch wieder sinken. »Sieh mal einer an, die sind anscheinend schlauer als die meisten Vögel. Dann werden wir wohl Magie brauchen. Was meinst du, Rondeau, einen Fluch vielleicht?«
»In einem Aufzug?«, fragte Rondeau ungläubig. »Wär’ das nicht ein bisschen gefährlich für uns?«
»Wir fahren ja nicht, und wir sind im untersten Stockwerk. Selbst wenn also die Kabel reißen oder so etwas, fallen wir nicht tief, und wenn sich die Türen verklemmen sollten, krieg’ ich sie schon auf.«
Mit den Vögeln immer noch direkt vor der Nase nickte Rondeau. »Okay. Sie schweben immer noch genau vor mir, also sollte der Fluch sie zumindest als Erste treffen.« Rondeau murmelte drei kurze, kehlige Laute, und die Luft im Aufzug wurde plötzlich unangenehm heiß. Die Wände um sie herum und die Kabel über ihnen ächzten.
Die beiden Kolibris gingen in einen blendend weißen Flammenball auf. Dann fielen sie zu Boden. Aus ihren wild zuckenden Flügeln stiegen weiße Funken und kleine Rauchfahnen. Marla und Rondeau sprangen von den Flammen weg, Marla schlug nach dem Knopf zum Türöffnen, und die Türen gingen mit einem leisen Krächzen auf. Rondeaus
Fluch hatte den Mechanismus leicht verbogen. Sie stiegen über die verkohlten Vögel und verließen den Aufzug.
Rondeau spuckte auf den Betonboden. »Igitt, ich hasse diese Sprache. Sie hinterlässt in meinem Mund immer einen Geschmack von Katzenscheiße.«
»Sprichst du da aus persönlicher Erfahrung?«
»Als ich noch jung war und diesen Körper gerade erst übernommen hatte, wusste ich
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