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Hexenzorn

Titel: Hexenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Pratt
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Türsteherin erschien wieder und ließ vier
weitere Leute hinein, darunter auch Zara. Marla stand jetzt näher an dem schmiedeeisernen Tor, und ihr fiel auf, dass es sich nicht um ein Rosetten- oder Lilien- oder irgendein anderes Standardmuster handelte. Das Tor war eindeutig eine Sonderanfertigung, und das Metall bildete ein organisches Muster, das an Blumen und Schlangen erinnerte. Marla erkannte die Form: Es war eine Veve, ein rituelles Symbol, das in Zeremonien zur Beschwörung eines Loa, eines besitzergreifenden Geistes, verwendet wurde. Es handelte sich aber nicht um die einigermaßen bekannte Veve von Papa Legba (die Marla schon ab und zu auf einem T-Shirt gesehen hatte) und auch nicht um das Symbol eines anderen der besser bekannten Voodoogötter wie Baron Samedi oder Maitre Carrefour oder Damballah. Diese hier gehörte zu einem niederen Geist, einem Ghede, einem Geist der Lust. Loas ergriffen Besitz von dem Körper eines ihrer Beschwörer und benutzten ihn, um physische Begierden auszuleben und zu befriedigen (viele Loas waren geradezu vernarrt in Rum und Süßigkeiten). Der, zu dem dieses Symbol hier gehörte, brachte seine Anhänger zu exzessiven sexuellen Handlungen und bezog seine Kraft aus Orgien. Ein schmiedeeisernes Gitter in der Form dieser Veve beschwor zwar nicht den Geist herauf - die Zeremonie war weitaus komplizierter als das -, aber da es extra so angefertigt war, ließ es doch einige Rückschlüsse zu. Marla hatte jetzt eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was für eine Art Magier Finch war. Marla selbst bediente sich aller magischen Künste. Hamil nannte sie deshalb manchmal eine ›Brachialomantin‹. Viele Hexenmeister spezialisierten sich mehr oder weniger und wurden Nekromanten, Pyromanten, Wahrsager, Aviomanten, Biomanten oder Technomanten - alle
mit ihren eigenen Stärken und Schwächen, alle mit ihren charakteristischen Obsessionen.
    Aus der Form des Tors schloss Marla, dass Finch, zumindest teilweise, ein Sex-Magier war. Marla nannte sie immer etwas spöttisch ›Pornomanten‹. Ihr erster Lehrer, Artie Mann, war ein Pornomant gewesen, wenn auch ein sehr unkonventioneller. Ein Stück weit war Marla sogar erleichtert: Pornomanten waren nicht gerade für ihre Angriffsqualitäten bekannt. Andererseits sollte sie Finch auch nicht unterschätzen, und was sie im Moment anstellte, waren nichts anderes als Spekulationen, die auf dem etwas ausgefallenen Geschmack des Gastgebers basierten.
    Die Frau mit der Robe kam wieder heraus, öffnete das Tor und bat die nächsten vier, diesmal auch Marla und Rondeau, herein.
    Auf den ersten Blick war nichts von sexuellen Exzessen zu sehen. In dem spärlich beleuchteten Foyer trafen sie zunächst auf dieselben Leute, mit denen sie draußen schon gewartet hatten. Marla stellte sich auf die Zehenspitzen und sah hinter einer Theke eine Frau, die so etwas wie Tickets zu verteilen schien. Sie gab den Leuten Fragebögen in die Hand und sammelte sie dann ausgefüllt wieder ein.
    »Wie, wir müssen unsere Seele verkaufen, damit wir hier reinkommen?«, fragte Rondeau.
    »Sieht ganz so aus«, antwortete Marla.
    »Dann hoffe ich mal, dass das hier eine verdammt gute Party wird. Ich will gefälligst einen ordentlichen Gegenwert für meine Seele bekommen.«
    »Mit deiner Seele kannst du dir nicht mal einen ordentlichen Kaffee beim Coffeeshop an der Ecke kaufen«, meinte Marla, obwohl ihr, noch während sie das sagte, das Herz für
einen Moment stehen blieb, denn langsam dämmerte ihr, um was für eine Art Party es sich hier wahrscheinlich handelte. Es nötigte ihr eine gewisse Bewunderung ab, dass der chinesische Meister sie hierher geschickt hatte, ohne dabei auch nur die geringste Miene zu verziehen.
    Die Schlange bewegte sich vorwärts, und die Leute, die mit ihren Fragebögen fertig waren, gingen durch einen kleinen Gang in einen weiteren Raum. Marla und Rondeau nahmen sich jeweils einen Fragebogen, auf dem ein paar Regeln und Haftungsausschluss-Klauseln standen. Ganz unten musste man Datum und Unterschrift eintragen. Marla schloss kurz die Augen und legte die Hände auf das Papier. Sie wollte sichergehen, dass es nicht irgendwie magisch manipuliert war. Manche Magier konnten einen Vertrag so präparieren, dass der Unterzeichnende unter Todesstrafe zur Einhaltung verpflichtet war, doch Finch hatte in diesem Fall nichts dergleichen getan. Marla überflog die aufgelisteten Punkte, fand aber nichts Unerwartetes. Es handelte sich tatsächlich um die Art Party, die

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