Hexenzorn
alles aus Mathematik und Vakuum.«
»Vielleicht ist doch etwas dran an dieser Technomantik«, sagte Marla nachdenklich. In ihrer Stadt hatte es nur einen einzigen halbwegs fähigen Silikon-Magier gegeben, und den hatte Marla persönlich von einem Hausdach geworfen, nachdem er sich in ihre Finanzpolitik eingemischt und versucht hatte, mehrere Millionen aus der Stadtkasse zu klauen.
»Technomantik ist der Schlüssel zu allem«, sagte Dalton. »Im Vergleich zu mir sind Sie nur eine steinzeitliche Wilde, die mit einem Ast in der Erde bohrt. Das Gleiche traf auf Finch zu und auf jeden anderen Magier in der Stadt. Verstehen Sie? Die kapieren’s einfach nicht!« Seine Augen leuchteten in geradezu religiöser Verzückung. Marla hatte das öfter bei Nekromanten gesehen, wenn sie über Knochen sprachen, und bei Pyromanten, die von der reinigenden Kraft des Feuers schwärmten. »Schon mal was von Nick Bostroms Simulations-Hypothese gehört?«
»Ich fürchte, nein«, sagte Marla und lehnte sich bequem
in ihrem Stuhl zurück. Sie hatte das Gefühl, dass es ein Weilchen dauern könnte.
»Er ist Professor für Philosophie in Oxford. Seine These lautet, dass wir in Wahrheit Simulationen längst verstorbener Menschen sind; wir laufen in einer elektronisch emulierten Umwelt, die unsere technisch hoch entwickelten Nachfahren erschaffen haben.«
»Ach ja?«, fragte Marla.
Dalton seufzte. »Ich versuche gerade, Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen«, sagte er.
»Etwas über Mutex?«, fragte Marla.
»Möglicherweise«, antwortete Dalton. »Bostrom argumentiert folgendermaßen: Grundthese Nummer eins ist, dass es eines Tages möglich sein wird, den menschlichen Geist in einer anorganischen Umgebung zu replizieren. Das heißt, einen Computer zu bauen, der genauso funktioniert wie der menschliche Geist, vollkommen identisch, eine Maschine mit menschlichem Bewusstsein.«
Marla hatte einmal mit ihrem Freund Langford, dem Biomanten, darüber gesprochen, dass solche Dinge theoretisch eines Tages möglich sein könnten, auch wenn die Technologie noch lange nicht so weit war. Sie nickte zustimmend. »In Ordnung.«
»Dann stellen Sie sich einmal die Frage, ob es wahrscheinlich ist, dass die Menschheit eines Tages die dafür notwendige Technologie entwickeln wird. Ich halte es für eine reine Frage der Zeit, außer es gelingt uns, uns vorher selbst zu vernichten, was ich, offen gesagt, nicht glaube. Die Überlebensfähigkeit von Kakerlaken ist nichts im Vergleich zu der des Menschen.«
Marla beschrieb mit ihrem Zeigefinger eine kleine Spirale
in der Luft, um Dalton anzudeuten, dass er sich ein wenig beeilen möge.
»Letztendlich ist die Frage doch die: Sind Sie sich hundertprozentig sicher, dass unsere Nachfahren niemals eine Echtzeit-Computersimulation ihrer eigenen Vorfahren entwickeln könnten?«
»Ich würde nicht niemals sagen«, antwortete Marla. »Es gibt Leute, die in Bürgerkriegsuniformen verkleidet über einen Acker rennen und so tun, als ob sie aufeinander schießen. Ich schätze, eine Computersimulation unserer Vorfahren wäre etwas ganz Ähnliches.«
»Dann stimmen Sie mir also zu, dass wir aller Wahrscheinlichkeit nach nichts anderes sind als Simulationen auf der Festplatte eines Computers. Wir sind uns dessen nicht bewusst, wir haben echte Gefühle und ein voll entwickeltes Bewusstsein, in Wahrheit laufen wir jedoch als Simulationen auf einem unvorstellbar komplexen Computersystem in unserer eigenen, weit entfernten Zukunft. Alles eine einfache Frage der Wahrscheinlichkeit. Wenn unsere Nachfahren in der Lage sind, solche Simulationen zu programmieren, dann gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sie dies nur im kleinen Rahmen für ein einzelnes Gebiet tun. Es könnte sogar verschiedene Versionen derselben ›Welt‹ geben, die in Aberhunderten von Computern mit kleinen Variationen simuliert werden. Die Chancen stehen ganz gut, dass es weit mehr simuliertes Bewusstsein auf Computern gibt als organisches in biologischen Gehirnen. Also sagt uns die Wahrscheinlichkeitsrechnung, dass wir mit größter Sicherheit nichts anderes als Simulationen sind. Die Idee ist nicht neu - Science-Fiction-Autoren spielen seit Jahrzehnten mit diesem Gedanken herum -, aber Bostroms Arbeit
war einer der ersten systematischen und wirklich ernst zu nehmenden Erklärungsansätze. Geben Sie mir Ihre E-Mail-Adresse, Marla, und ich schicke Ihnen einen Link zu der Vorabdruckversion.«
»Ich glaube, Rondeau müsste eine E-Mail-Adresse haben«, sagte
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