Hexenzorn
Sie hatte fast vergessen, dass B. überhaupt da war. Rondeau bedeutete ihm, still zu sein, aber Marla sagte: »Hatten Sie gestern Nacht wieder einen Traum?«
»Ja«, sagte er. »Ich suchte ein Orakel auf, um ihn zu deuten. Als Bezahlung musste ich ihm mein Autogramm geben, aber ich habe nicht mit meinem richtigen Namen unterschrieben. Es sagte, das wäre egal, aber es schien trotzdem enttäuscht.«
Er hatte ein Orakel aufgetrieben. Einfach so. Vielleicht war er tatsächlich mehr als ein zweitklassiger Seher. »Wovor haben diese Magier Angst?«, fragte sie.
B. zögerte keine Sekunde mit seiner Antwort: »Dasselbe, vor dem auch Sie Angst haben. Die Kontrolle zu verlieren.«
Das war eine ziemliche Ohrfeige, aber Marla wollte sich nichts anmerken lassen, insbesondere nicht vor Dalton.
»Hey!«, sagte Dalton. »Waren Sie nicht in diesem grottigen
Science-Fiction-Film mit Dolph Lundgren? Sie haben seinen mürrischen Teenager-Sohn gespielt.«
»Das war nicht ich«, sagte B. »Ich glaube, River Phoenix hat die Rolle gespielt. Aber ist schon in Ordnung, ich werde das oft gefragt.«
»River Phoenix ist tot«, meinte Dalton trocken. »Hat sich vor x Jahren eine Überdosis verpasst.«
»Eine hässliche Todesart«, sagte B.
»Nicht so hässlich, wie von einem verrückten Aztekenpriester das Herz herausgeschnitten zu bekommen; und das gilt, ob die Welt nun eine Simulation ist oder nicht.« Marla spielte mit ihren Fingern. Vielleicht könnten sie jetzt endlich zum Geschäft kommen. »Was für eine Vorgehensweise haben Sie geplant, und wie kann ich dabei helfen? Schließlich halte ich mich als Gast in Ihrer Stadt auf.«
Dalton schüttelte heftig den Kopf, als wäre er erstaunt über so viel Dreistigkeit. »Ich würde Sie nicht gerade als Gast in dieser Stadt bezeichnen, Mason. Wahrscheinlich wäre es für alle Beteiligten sogar das Beste, wenn Sie so schnell wie möglich wieder nach Hause verschwinden. Mutex ist gefährlicher, als wir gedacht hatten, aber wir werden mit ihm fertig. Ihre Probleme sind weitaus größer. Ich bin sicher, Sie wissen, dass Sie sich bereits einen ziemlich mächtigen Feind gemacht haben: Der Boss von Chinatown hat einen Preis auf Ihren Kopf ausgesetzt. Mir ist es egal - ich bin so reich, wie ich es nur sein könnte -, aber es gibt andere in dieser Stadt, die die Belohnung vielleicht ganz gerne haben würden.«
»Kennen Sie einen guten Buchmacher?«, rief Rondeau, ansonsten immer noch damit beschäftigt, Aliens abzuschießen. »Vielleicht könnte ich eine ganz gute Quote kriegen,
wenn ich auf Marla wette, hier kennt sie schließlich keiner. Zuhause nimmt nämlich niemand mehr Wetten an auf die Leute, die versuchen sie umzubringen. Ziemlich schade das. War immer leicht verdientes Geld.«
»Was er damit sagen will: Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich kann ganz gut auf mich aufpassen. Es ist Mutex, um den ich mir Sorgen mache.« Und der Grenzstein. Hauptsächlich der Grenzstein. Aber Mutex hatte ihren Freund getötet, und im Andenken an Lao Tsung - und weil es auch zu ihren anderen Plänen passte - wollte Marla ihn aufhalten.
»Ich kann Sie nicht dazu zwingen abzureisen«, sagte Dalton. »Nun, ich könnte es schon, aber es wäre die Mühe nicht wert. Und was Mutex betrifft, wir werden ihn erwischen. Den Grenzstein zu finden könnte etwas schwieriger werden. Aber sobald wir Mutex erst einmal haben und die Schutzvorrichtungen auflösen können, die er wahrscheinlich verhängt hat, müssten wir den Grenzstein mit einer Weissagung aufspüren können. Er ist zwar mit vielerlei Maßnahmen gegen so etwas geschützt, weil wir nicht wollen, dass irgendein Lehrling oder ein begabter Dilettant ihn findet, aber ich kenne ein paar Methoden, die funktionieren müssten. Sobald wir unseren großen Felsen wiederhaben … nun, ich kann Ihnen nicht garantieren, dass wir die Abmachung, die Sie mit Finch hatten, einhalten werden, aber wir können uns darüber unterhalten und uns vielleicht einigen. Wir müssen die Sache natürlich zuerst untersuchen und herausfinden, was Mutex - wenn überhaupt - damit angestellt hat und welcher Schaden damit angerichtet wurde, aber danach können Sie ihn vielleicht, natürlich unter Beobachtung und zu einem angemessenen Preis, benutzen. Es
könnte natürlich eine Weile dauern, bis es so weit ist, aber ich werde den Rest von Finchs Amtszeit ableisten und deshalb noch ein paar Jahre die Verantwortung innehaben.«
»Jahre«, wiederholte Marla. »Ich verstehe. Wieso glauben Sie,
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