Hexenzorn
hoffe, eines Tages werde ich die Geschichte dieser Reise zu hören bekommen.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Marla zu. »Mir ist nicht ganz klar, warum Sie sich für Mutex interessieren«, sagte Bethany. »Ich habe gehört, dass Sie ihn verfolgen und dass Sie mit eigenen Augen gesehen haben, wie er Finch und Dalton getötet hat - was Sie nicht
gerade wie einen Glücksbringer erscheinen lässt. Und Sie haben Glück, dass ich Sie überhaupt in meinen Zug gelassen habe. Also, warum genau sind Sie derart hinter ihm her? Und was tun Sie überhaupt in San Francisco, außer sich Feinde zu machen?«
»Mutex hat meinen Freund Lao Tsung getötet.«
»Ach so, Lao. Wir kamen etwa zur selben Zeit in die Stadt, aber sonst hatten wir nicht viel gemeinsam. Ich habe ihn um sein langes Leben beneidet.«
»Nun, mittlerweile ist er tot, so wie wir alle eines Tages sterben werden«, sagte Marla.
»Also ist pure Rache Ihr Motiv?«
Marla musste kurz nachdenken. Ihr war nicht klar, wie viel Bethany bereits wusste. Dalton hatte geglaubt, Marla wäre für Finchs Tod verantwortlich, und er hatte gewusst, dass der Grenzstein verschwunden war, aber wie viel davon hatte Bethany aufgeschnappt? Die äußeren Unterschiede einmal außer Acht gelassen, erinnerte sie Marla an sich selbst - kompetent, sachlich, direkt, gerissen, eher geschäftsmäßig und ohne Finchs Hang zu Machtspielchen oder Daltons egomanischem Gehabe, und auch keine Spur von der Grobheit und Habgier des Himmlischen. Sie traute Bethany nicht. Jedoch, falls Marla eines Tages durch eine Laune der Raumzeit oder einen magischen Unfall einmal sich selbst gegenüberstehen sollte, würde sie sich auch nicht vertrauen. Marla war zu clever, um Leuten wahllos zu vertrauen. »Rache ist ein genauso guter Grund wie jeder andere«, sagte sie schließlich. »Ich schulde Lao Tsung eine Menge, und Sie sollten sich lieber Sorgen um Ihr eigenes Leben machen. Mutex ist hinter Ihnen her, er will Sie dafür töten, dass Sie ihn weggejagt haben. Und ganz nebenbei will er Ihnen das
Herz herausschneiden, um es seinen Göttern zu opfern. Aber wie wäre es, wenn wir ihn gefangen nehmen?«
»Sie meinen sicher, ihn töten«, sagte Bethany. »Außer Sie wollen ihn eine Weile am Leben erhalten, um ihn zu foltern. Was aber bei einem so geschickten Magier wie ihm keine besonders gute Idee sein dürfte. Jeden Moment, den er länger am Leben bleibt, könnte er nützen, um wieder die Oberhand zu gewinnen, wie Sie sicherlich wissen.«
Marla sah keine Möglichkeit mehr, weiterhin zu bluffen, also gab sie es auf. »Ich kann ihn nicht sofort töten. Er hat etwas, das ich brauche, und ich muss herausbekommen, wo er es versteckt hat.«
»Hmm. Sie schienen mir auch nicht der Typ, der sich von Rache allein treiben lässt.«
»Aber Rache ist eine nette Dreingabe«, ergänzte Marla.
»Natürlich. Ihn gefangen zu nehmen dürfte jedoch die schwierigere Aufgabe sein.«
»Es ist mir egal, wie gut er ist. Er kann gar nicht so gut sein wie wir beide, wenn wir zusammenarbeiten.« Marla hätte das mit mehr Überzeugung gesagt, wenn Ch’ang Hao auf ihren Ruf reagiert und ihr diese seltene Schlange, die sie so dringend brauchte, gebracht hätte. Aber mit Bethanys Hilfe und auf Bethanys offensichtlich gut geschütztem Territorium dürften sie durchaus eine Chance gegen den verrückten Azteken haben.
»Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte Bethany. Sie ging zum Kontrollpult und drehte an ein paar verborgenen Reglern, dann setzte sie sich wieder in ihren Sessel. »Ich bin froh, dass Ihre Interessen zu meinem Selbsterhaltungstrieb passen: In Ordnung, dann nehmen wir ihn also gefangen. Aber danach schulden Sie mir - und meiner Stadt - einen
Gefallen, im Austausch dafür, dass ich ihn nicht sofort töte und Sie sich zuerst die Informationen holen können, die Sie brauchen. Schließlich ist es nicht gerade in meinem Interesse, Mutex auch nur eine Sekunde länger als nötig am Leben zu lassen.«
Für Marla hörte sich das ganz vernünftig an. »Dann schulde ich Ihnen also einen Gefallen.«
»Glauben Sie, er wird hierher kommen?«
»Er scheint auf Hausbesuche zu stehen.«
»Was glauben Sie, wie viel Zeit wir noch haben?«
»Schwer zu sagen. Gehen wir mal davon aus, dass er jede Minute hereinschneien könnte.«
»Auch gut«, sagte Bethany. »Ich bekomme eine Warnung, sobald er die Eingangstür oben öffnet oder die Treppe betritt, genau wie bei Ihnen.«
»Und dann?«
»Oh, ich habe so meine Tricks. Ich bastle gerne
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