Hexenzorn
Marla. »Meine Moralvorstellungen sind so biegsam wie die jedes x-beliebigen Mitbürgers, aber es gibt ein paar Dinge, die ich nur schwer durchgehen lassen kann. Sie töten Normale? Menschen aus Ihrer eigenen Stadt, als Nahrung?«
»Ja«, sagte Bethany. »Aber bevor Sie versuchen - und ich betone, versuchen -, mich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinzurichten, lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich nur Freiwillige verspeise. Es gibt genug davon. Manchmal bleiben sie sogar am Leben, während ich ihnen ein paar Gliedmaßen amputiere, und essen dann mit mir von ihrem eigenen Fleisch.«
»Und Sie erwarten, dass wir das glauben?«, fragte B. Die ganze Diskussion machte ihn sichtlich wütend.
»Es gibt keinen Grund, warum Sie das nicht tun sollten«, entgegnete Bethany.
Marla nickte Rondeau zu, und er ließ sein Messer verschwinden. »Es ist wahr«, sagte Rondeau zu B. »Es gibt Menschen, die verspeist werden wollen. Unter all den Milliarden Menschen auf diesem Planeten gibt es nicht wenige, die auf abgedrehtes Zeug stehen. Wahrscheinlich bietet Bethany Selbstmördern und unheilbar Kranken ein paar Anreize, vergnügliche letzte Stunden oder solchen Scheiß.«
»Gelegentlich ja«, sagte Bethany. »Aber das war in den früheren Zeiten. Heutzutage sind es eher Leute, die einfach Beute sein wollen. Für manche Menschen ist das der Kick, ein Fetisch, wenn auch meistens ein tödlicher. Sie kommen aus aller Welt, und ich zahle ihre Reisekosten. Das Internet hat die Sache enorm erleichtert. Es gibt richtige Online-Communities, Menschenfresser-Newsgroups und Mailinglisten, alles. Macht das Leben ein ganzes Stück einfacher.«
»Ich hab’ genug gehört«, sagte Rondeau. »Ich werde für ein Weilchen verschwinden und an Einhörner, flauschige Kaninchen und andere unkannibalische Dinge denken.«
»Gehen Sie mit ihm, B.«, sagte Marla.
»Ich bin immer noch verwirrt«, sagte B. »Gehört sie tatsächlich zu den Guten?«
»Ach, B.«, antwortete Marla, »wir sind schon so weit über die Fragen von Gut und Böse hinaus, dass ich das nicht mal ansatzweise beantworten kann. Aber wenn wir gut als ›gewillt, Mutex davon abzuhalten, urzeitliche Monster zum Leben zu erwecken und eine auf rituellen Menschenopfern basierende Theokratie zu errichten‹ definieren, dann lautet die Antwort: Ja, Bethany gehört zu den Guten.«
Bethany grinste ihn an und spielte mit ihrer gespaltenen
Zunge. »Von einem der bekanntesten Partyjungs aus der Hollywood-Szene hätte ich ein bisschen weniger Empörung erwartet.«
»Ich habe eine Menge verrückte Sachen gemacht, aber ich habe nie jemanden gegessen«, sagte B. und verließ den Waggon.
»Tut mir leid wegen der Aufregung«, sagte Bethany, als Marla sich wieder hinsetzte. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass meine Essgewohnheiten zur Sprache kommen würden.«
»Schon gut«, sagte Marla. »Aber wenn die Frage gestattet ist, was haben Sie davon? Wenn Sie größtenteils Menschen fressen, deren tiefster Wunsch es ist, als Beutetiere zu enden, dann kann es sich nicht um einen gewöhnlichen Übertragungszauber handeln, bei dem man das Fleisch seiner tapferen und edlen Feinde verspeist, um ihre Kraft in sich aufzunehmen.«
»Das stimmt«, sagte Bethany. »Es ist eine komplizierte Magie, aber im Grunde genommen geht es darum, dass ich mich damit an die absolute Spitze der Nahrungskette setze - ich bin das unangefochtene Alpharaubtier von San Francisco. Ich kann jeden fressen, und nichts kann mich fressen. Ich bin der Boss von Tenderloin, dem gefährlichsten Teil dieser Stadt, und in einer Gegend voller menschlicher Raubtiere ist es wichtig, die gefährlichste Räuberin zu sein, verstehen Sie?«
»Ja«, sagte Marla nachdenklich. Kein Räuber, Mörder oder Vergewaltiger konnte Bethany in einer dunklen Gasse überraschen, und das nicht zuletzt deshalb, weil sie Leute von diesem Schlag im ganz wörtlichen Sinn und nicht im übertragenen zum Frühstück verspeiste.
»Außerdem steh’ ich auf den Geschmack«, ergänzte Bethany. »Und jetzt warten wir einfach?«
»Schätze schon. Haben Sie ein Kartenspiel?«
Bethany deutete mit dem Kinn auf den Fernseher und die brummenden schwarzen Elektrogeräte. »Ich hab ein paar ganz gute Videospiele.«
Marlas Erfahrung mit Videospielen beschränkte sich auf die kurze Zeit, als sie vor vielen Jahren als Geldeintreiberin gearbeitet hatte und gelegentlich das Schutzgeld aus einem Zuhälter herausprügeln hatte müssen, der nebenbei eine Spielhalle
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