Hexenzorn
am Boden lag, aber die Frösche um ihn herum waren einfach eine zu große Gefahr. Aber falls Bethany ihn verwunden oder bewusstlos schlagen könnte, könnten sie ihn vielleicht mit vereinten Kräften in den Zug schweben lassen und so den Fröschen aus dem Weg gehen. Mutex setzte sich auf und befühlte die Stelle unterhalb des Brustbeins. Sein Gesichtsausdruck ließ keinerlei Schmerzen erkennen, was bedeutete, dass er das Froschgift wahrscheinlich tatsächlich als Schmerzblocker einsetzte. Marla hoffte, dass sie ihm ein paar Rippen gebrochen hatte.
»Bethany, schlag zu!«, schrie Marla.
»Oh ja, und wie ich zuschlagen werde«, sagte sie. Etwas in ihrer Stimme veranlasste Marla, sich umzudrehen, aber es war zu spät. Bethany hielt einen Taser in der Hand, ein mattschwarzes Stück Metall, dessen Form sie an eine Flunder oder ein Neunauge erinnerte, an etwas Ekliges, Zappelndes, das im Dunkeln zuschlägt. Es schien unwahrscheinlich, dass die Waffe genug Reichweite hatte, um Mutex damit zu treffen, was bedeutete, dass Bethany vorhatte, sie gegen Marla einzusetzen - als ob die Schadenfreude in ihrem Gesicht, ihre geschlitzten Augen und ihre vorschnellende Zunge und die vor Hitze und Erregung geröteten Wangen nicht schon genug Hinweis gewesen wären: Bethany war regelrecht berauscht von ihrem Verrat. Marla blieb nicht genug Zeit, um sich zu bewegen, zuzuschlagen oder ihren Umhang zu wenden, und wenn die elektrische Spannung sie erst einmal erwischte, würde sie unweigerlich zu Boden gehen. Und sobald sie am Boden lag, war sie tot.
Eine kehlige Stimme erfüllte die Kabine, Geräusche, die die winzigen Knochen in Marlas Gehörgängen knirschend gegeneinanderreiben ließen, eine Sprache, so rau wie zerberstendes Gletschereis. Sie sah, wie Rondeau aus dem anderen Waggon hereingeschossen kam, seinen Mund weit aufgerissen, das Gesicht verzerrt, und merkte, dass er einen Fluch aussprach, eine Unflätigkeit, so obszön, dass sie die Ohren eines Gottes beleidigen würde. Die unkontrollierte Lawine der Zerstörung, die sein Fluch losgetreten hatte, ließ den Flachbildfernseher krachend und Scherben versprühend implodieren, die gepanzerten Scheiben des Zugs klirrten, der Taser in Bethanys Hand brannte durch und explodierte in einem Funkenregen. Bethany rang nach Luft
und ließ den Taser fallen. Marla spürte eine Bewegung hinter sich. Sie drehte sich um und sah, wie Mutex mit fast nur noch menschlicher Geschwindigkeit auf sie zustürzte. Rondeau fluchte noch einmal, und die Oberfläche des Bahnsteigs platzte auf, hob sich wie bei einem Erdbeben und brachte Mutex aus dem Gleichgewicht, sodass er taumelnd auf den Boden aufschlug. Bethany starrte immer noch auf ihre verbrannte, rauchende Hand, während B. sich mit einer schweren gusseisernen Pfanne, die er wohl im Speisewagen gefunden haben musste, von hinten an sie heranschlich. Er schlug Bethany damit auf den Hinterkopf, das Weiße in ihren Augen trat hervor, und sie sackte zusammen. B. starrte auf sie hinab, dann ließ er die Pfanne fallen und wischte sich die Hand an seinem Hemd ab. Mit wildem Blick sah er Marla an. »Sie hat versucht, Sie umzubringen«, sagte er, und Marla nickte nur, mehr Zeit für ein Dankeschön oder eine Bestätigung hatte sie im Moment nicht.
Mutex war bereits wieder auf den Beinen und stand mitten zwischen seinen trägen Fröschen. Die Arme vor der Brust verschränkt, schaute er Marla teilnahmslos an.
Marla verschränkte ebenfalls die Arme und äffte seine Haltung nach. Rondeau stand zu ihrer Linken, B. rechts von ihr. »Nun?«, sagte Marla. »Haben wir jetzt Zeit für eine kleine Unterhaltung?«
»Ihr habt mir Probleme verursacht«, sagte Mutex. »Ich kann Euch nicht länger ignorieren in der Hoffnung, dass Ihr abreisen werdet. Doch vielleicht werdet Ihr die Wahrheit erkennen und es fortan unterlassen, Euch in meine Angelegenheiten einzumischen. Ihr seid eine Fremde und habt hier kein Mitspracherecht. Ich biete Euch hiermit die Gelegenheit an, unbehelligt Eurer Wege zu ziehen.«
Marla schnaubte. »Ja, natürlich. Ich gebe Ihnen hiermit die Chance, mich zu überzeugen. Lassen Sie uns verhandeln. Bethany hat Ihnen also geholfen, wie?«
Mutex neigte den Kopf. »Natürlich. Sobald Ihr Euren Fuß auf die Treppe gesetzt habt, verständigte sie mich und bat mich, ihr dabei zu helfen, Euch zu töten. Ihr habt Euch bereits einen ungewöhnlichen Ruf in dieser Stadt erarbeitet, und wir waren beide überzeugt, dass es das Beste wäre, uns Eurer unverzüglich
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