Hexenzorn
sich wieder abzukühlen, was ihre ganzen Anstrengungen, die zuvor erzeugte Kälte betreffend, zunichtegemacht hätte. »Genug«, sagte sie und blies ein letztes Dampfwölkchen kalter Luft aus. B. machte den Herd wieder aus. »Gehen wir«, sagte Marla und führte sie zur Fahrerkabine, deren Tür immer noch offen stand.
Der Bahnsteig war mit einer etwa fünf Zentimeter dicken Eisschicht überzogen, die kleinen goldenen Frösche darin eingeschlossen wie Früchte in der Gelatineglasur einer Obsttorte. »Seid vorsichtig, der Boden ist rutschig«, sagte Marla, und sie bahnten sich einen Weg über das Eis, hinweg über die gefrorenen Frösche.
»So sehen sie richtig hübsch aus«, sagte Rondeau und
blickte nach unten. »Schade, dass sie in Wirklichkeit nichts anderes als den sofortigen Tod bedeuten.«
»Mhm«, sagte Marla.
»Denken Sie, sie sind tot?«, fragte B.
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, Amphibien kann man einfrieren, und wenn man sie auftaut, werden sie wieder lebendig. Aber ich bin mir nicht sicher. Trotzdem glaube ich nicht, dass sie hier je wieder herauskommen, und wenn sie es überlebt haben, werden sie ganz einfach verhungern. Ich schätze nicht, dass es hier unten so was wie Fliegen gibt.«
»Vielleicht kommt Mutex nochmal zurück, um sie zu holen«, sagte B.
»Vielleicht«, sagte Marla. »Wenn er diesen Tag überlebt.« Sie erreichten die Treppe und stiegen hinauf, hinaus aus der Dunkelheit.
»Und was jetzt?«, sagte Rondeau, als sie an die Oberfläche kamen. »Statten wir jetzt dem nächsten Thronanwärter auf der Liste einen Besuch ab?«
»Klar«, sagte Marla. »Wenn du keinen besseren Vorschlag hast, würde ich sagen, wir sollten uns mit dem Magier in Verbindung setzen, der als Nächster dran ist. Sie können nicht alle mit Mutex zusammenarbeiten, und vielleicht hilft uns Bethanys Nachfolger, die ganze Truppe zusammenzutrommeln. Normalerweise sind Magier zwar nicht besonders teamfähig, aber wenn die Lage verzweifelt genug ist, machen sie auch mal eine Ausnahme.«
»Und wenn Mutex seinem Stil treu bleibt und genau dort auftaucht, um den nächsten Magier umzubringen?«
»Dann versuchen wir, ihn umzubringen«, sagte Marla. »So ähnlich, wie ich es eigentlich mit Bethany geplant hatte, nur diesmal hoffentlich ohne Verrat.«
Rondeau schüttelte den Kopf. »Wir brauchen einen Plan. Ich weiß, dass normalerweise du diejenige bist, die das sagt, aber es stimmt ganz einfach. Wir können nicht immer nur so hereinplatzen. Die Frösche hätten dich vorhin beinahe getötet.«
»Hat nicht jemand mal gesagt, die Definition von Wahnsinn wäre, immer wieder dasselbe und jedes Mal auf die gleiche Art zu tun und dabei ein anderes Ergebnis zu erwarten?«, meinte B.
»Ja«, sagte Marla. »Das ist ein chinesisches Sprichwort. Was mich daran erinnert, dass ich durchaus einen Plan habe, aber der hängt ziemlich stark davon ab, ob ich Ch’ang Hao kontaktieren kann oder nicht, und der scheint die Schlangennachricht nicht erhalten zu haben. Er kam mir eigentlich wie ein aufrichtiger Typ -«
»Gott«, sagte Rondeau.
»- aufrichtiger Gott vor, aber langsam glaube ich, dass er sich in unbekannte Gefilde davongemacht hat und dass dieses ganze ›schick mir einfach eine Schlange‹-Gerede nichts als Bullshit war. In welchem Fall … nun ja, ein neuer Plan nicht schlecht wäre. Aber es würde uns auch nicht viel nützen, unbedingt alles anders zu machen. Ich habe mit Mutex gekämpft, und ich habe ihn verwundet. Er hat eine Menge Kraft verloren. Mich hat es zwar auch einiges gekostet, aber ich wette, ihm geht es noch schlechter. Wir haben eine Chance, vor allem dann, wenn er sich erst einmal verkriecht, um sich zu erholen, und wir genügend Zeit haben, den Widerstand zu organisieren. Sehen wir erst einmal nach, wer als Nächster dran ist, die Stadt zu übernehmen und sich sein Herz herausschneiden zu lassen.« Marla nahm den Ausdruck zur Hand, faltete ihn auseinander, las und verzog das
Gesicht. »Natürlich«, sagte sie. »Wer auch sonst? Das … verkompliziert die Dinge etwas. Mutex und ich könnten in diesem speziellen Fall ein gemeinsames Ziel verfolgen.«
»Wer ist es?«, fragte Rondeau.
»Der Chinese«, sagte Marla. »Wenn er ihm das Herz herausreißt, würde ich deshalb keine schlaflosen Nächte durchleben.«
Rondeau nahm ihren Arm und zog sie ein Stückchen beiseite. »Du kannst ihn nicht einfach sterben lassen«, sagte er.
Marla gab keine Antwort. Natürlich konnte sie ihn einfach sterben lassen.
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