Hexenzorn
glaubte sie Rondeaus Geschichte über den Trick mit dem Ding auf der Schwelle. Für einen Magier, der auf versteckte Fallen stand, war das beste aller nur erdenklichen Verstecke ein Körper, der ihm gar nicht gehörte. Marla stand wieder auf und sah Rondeau und B. an.
Rondeau schnüffelte gerade an etwas, von dem Marla hoffte, dass es nur Tee war, während B. mit halb offen stehendem Mund an die Decke starrte. Anscheinend kam er immer noch nicht so ganz mit dieser Welt zurecht, in der er jetzt lebte.
»Die Tür ist wahrscheinlich verstärkt«, sagte Marla, »und treten wird wohl nicht viel helfen. Außerdem will ich nicht noch mehr hässliche Überraschungen erleben. Wir müssen uns etwas einfallen …«
Mit einem Klicken schwang die Tür auf. Das Licht im Hinterzimmer war ausgeschaltet. »Marla«, erklang eine traurige Stimme von hinter der Tür. »Meine Feindin.«
»Ch’ang Hao?«, fragte Marla.
»Ja«, sagte die Stimme. »Ich habe Eure Botschaft erhalten. Es tut mir leid, dass ich Euch nicht finden konnte. Bitte, tretet ein.«
»Wollen wir nicht zuerst das Licht einschalten?«, fragte Marla. Die Stimme konnte imitiert sein, und selbst wenn es sich tatsächlich um den echten Ch’ang Hao handelte, war Marla nicht gerade zuversichtlich, was ihre Sicherheit betraf.
Ch’ang Hao lachte. »Das elektrische Licht in diesem Raum ist kaputt, aber ich werde mein Bestes tun.« Auf dem Boden erschienen mehrere schlangenförmige, blassgrün schimmernde Lichtbänder. Marla kniff ihre Augen zusammen und sah, dass es sich um leuchtende Schlangen handelte,
die sich von der Mitte des Raumes aus verteilten. Manche kletterten die Wände hinauf und an der Decke entlang weiter bis zu den OP-Leuchten, wo sie sich schließlich aufringelten. Nach ein paar Sekunden war der Raum erfüllt von grünem Licht, und Marla sah Ch’ang Hao auf dem Metalltisch sitzen, auf dem tags zuvor noch die Leiche Lao Tsungs gelegen hatte. Ch’ang Hao hielt die Natter, die Marla ihm geschickt hatte, in der Hand, wo sie sich um seine Finger wand wie ein lebendiger Ring.
»Was ist geschehen?«, fragte sie.
»Ich habe versucht, den Meister zu töten, und wurde von der Schülerin angegriffen. Ich sprach einen einfachen Zauber, um herauszufinden, welcher Geist in welchem Körper lebt, doch der Zauber versagte. Zunächst dachte ich, ich hätte ihn nicht korrekt ausgeführt - diese Dinge gehören nicht zu meiner eigentlichen Begabung. Doch mittlerweile glaube ich, dass der Spruch abgeblockt wurde. Jedenfalls stürzte ich mich auf den Meister oder auf denjenigen, den ich für den Meister hielt, doch die Schülerin hielt mich mitten im Sprung auf, und ich schwebte wie gelähmt in der Luft.«
»Ein Insekt-in-Bernstein-Zauber«, sagte Marla. »Und dann?«
»Sie hätten noch mehr getan, mich vielleicht sogar wieder versklavt, aber ich begann zu wachsen. Ich kann immer noch ein wenig wachsen, trotz des grausamen Harnisches, in dem es Euch beliebte, mich weiter leiden zu lassen. Und während ich wuchs, reichten meine Hände und Füße aus dem Feld hinaus, das mich lähmte, und ich konnte nach ihnen greifen.«
»Nicht schlecht«, sagte Marla. »Wie konnte dich überhaupt jemand versklaven?«
»Auf einer Feier wurde ich betrunken, und als ich erwachte, lag ich in Ketten«, sagte er. »Aber das war vor langer Zeit, noch bevor mein Feind, der Magier, überhaupt geboren wurde. Er erbte mich von seinem Meister, der mich wiederum selbst geerbt hatte. Aber mein neuer Herr war klug genug, mir zu entwischen. Bevor ich groß genug war, um sie zu packen, flohen sie. Meine Lähmung endete kurz danach.«
»Warum hast du sie nicht verfolgt?«
Ch’ang Hao starrte sie an. »Ach so«, sagte er nach einer Weile. »Dann habt Ihr also noch nicht versucht zu fliehen.«
In Marlas Brust breitete sich eine Kälte aus. »Oh, wir kommen hier also nicht mehr weg?«
Ch’ang Hao nickte.
»Wir sind hier in eine Kannenpflanze geraten?«
Wieder nickte Ch’ang Hao. »Ich war davon ausgegangen, dass der Laden vollkommen von der Außenwelt abgeschlossen ist, doch dann kam die Schlange, die Ihr schicktet, zu mir, und ich begriff, dass es immer noch möglich war hineinzukommen. Doch leider ist der Weg hinaus nicht möglich. Die Tür ist verschwunden. Ich bin nicht mehr in der dunklen Kiste gefangen, in welcher mein neuer Meister mich hielt, und auch nicht länger durch die Fesseln der Verpflichtung gebunden, dennoch bin ich immer noch gefangen, hier in diesem Raum. Das ist der Grund,
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