Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hexenzorn

Titel: Hexenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Pratt
Vom Netzwerk:
hatten Chinatown gerade verlassen und waren in der Nähe der Buchhandlung ›City Lights‹, wo Marla ihre Runen geworfen hatte, um Lao Tsung ausfindig zu machen. Das war gestern gewesen, subjektiv fühlte es sich jedoch so an, als wäre das bereits hundert Jahre her. »Genau hier?«
    »Ich muss wissen, wo ich Mutex finden kann«, sagte Marla. »Ich muss wissen, wo er sich morgen aufhalten wird.« Damit würde genug Zeit bleiben, bis Ch’ang Hao mit der Schlange zurück war. Es könnte zwar auch Mutex genügend Zeit verschaffen, jeden Magier in der Stadt zu töten, aber dieses Risiko musste Marla eingehen. Noch wichtiger war, dass Susan in der Zwischenzeit etwas unternehmen könnte, aber auch dagegen konnte Marla im Moment nichts tun, nicht jetzt. Das Ritual, das Susan dazu ausführen musste,
war kompliziert, und sie musste ganz einfach darauf hoffen, dass Susan noch nicht so weit war. Sie wusste, dass Hamil alles tat, um es hinauszuzögern.
    »Okay«, sagte B. »Ich werde mein Bestes tun.« Er ging in Richtung der Jack Kerouac Alley, zwischen dem Vesuvio und der Buchhandlung. Neben einem Stapel Paletten blieb er stehen und legte eine Hand an die Außenwand des Vesuvio. »Hey, ist irgendjemand da drin? Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen.«
    Marla sah sich mit ihren Geisteraugen um und konnte nichts erkennen, nicht einmal den Schatten eines Geistes, geschweige denn das konzentrierte Kraftfeld eines Orakels.
    Plötzlich erhob sich etwas hinter den Paletten, eine neblige Wolke, die die Gestalt eines Mannes mit aschgrauer Haut und ebensolcher Kleidung annahm. Seine Haut - oder das, was wie eine Haut aussah - war schlaff und runzlig. Die Erscheinung murmelte etwas Unverständliches. B. murmelte etwas zurück, dann deutete er auf Marla. »Also los«, sagte er, »fragen Sie ihn, was Sie wissen wollen.«
    Marla nickte und machte möglichst langsam einen Schritt auf die Erscheinung zu, während sich in ihrem Inneren Schock und Euphorie einen Zweikampf um die Oberherrschaft lieferten. B. hatte tatsächlich ein Orakel herbeigerufen, es einfach aus den Steinen und Erinnerungen dieser Stadt heraufbeschworen. Dieses Wesen war in Wirklichkeit nichts anderes als eine semi-physische Manifestation von B.’s eigener, hochsensibler Wahrnehmung. Er war kein bloßer Seher, sondern etwas weit Selteneres und Wertvolleres. Manche seiner Visionen waren so mächtig, dass er sie nicht über seine direkte Wahrnehmung erfassen konnte, deshalb musste er eine äußere Quelle materialisieren, die ihm die Informationen
übermittelte. Marla hatte von solchen Menschen gehört, von orakelerzeugenden Sehern, die genauso sagenumwoben waren wie Merlin oder Sanford Cole. Bowman glaubte, er beschwöre ein Orakel, und wahrscheinlich war auch eine Art übernatürliches Wesen an dieser Erscheinung beteiligt - das Geistfragment eines toten Beatpoeten vielleicht -, es diente aber lediglich als Brennpunkt und äußere Erscheinungsform für B.’s Gabe. Marla wandte sich an das Orakel. »Ich muss wissen, wo Mutex morgen Nachmittag sein wird«, sagte sie.
    Das Orakel sah sie nicht an, sondern starrte über ihre Schulter hinweg in die Unendlichkeit. Schließlich murmelte es wieder etwas, und B. seufzte. »Er weiß es nicht«, sagte B. »Er sagt, es wäre ihm verborgen.«
    Marla hatte damit gerechnet, dass Mutex sich verstecken würde, aber Orakel waren normalerweise sehr geschickt darin, solche Schleier zu durchdringen, und dies war ein echtes Orakel, auch wenn B. es mit seinen eigenen übernatürlichen Kräften erschaffen hatte. Wenn B.’s Orakel Mutex nicht aufspüren konnte, dann bedeutete das … verdammt! Es bedeutete, dass Mutex seinen Zauber mithilfe des Grenzsteins verstärkt hatte, und um durch einen derart dichten Nebel blicken zu können, brauchte es verflucht starke Magie. Marla dachte über die unliebsame Möglichkeit nach, sich auf ihren anderen Plan zu besinnen, nämlich alle überlebenden Magier in der Stadt aufzusuchen und Mutex auf diese Weise ausfindig zu machen. Eigentlich hatte sie auf eine elegantere und direktere Lösung gehofft.
    »Gut«, sagte sie. »Dann müssen wir eben ein besseres Orakel finden. Wo ist das größte, stärkste und mächtigste Orakel in dieser Gegend - eines, das alles sieht?«

    »Oh, verdammt!«, fluchte B. plötzlich und presste sich die Hände auf die Schläfen. »Mir platzt fast der Schädel!«
    Das Orakel murmelte unterdessen unbeirrt weiter und gestikulierte mit seinen papierweißen Händen, während B.

Weitere Kostenlose Bücher