Hexenzorn
unter Schmerzen nickte. Es kostete ihn offensichtlich einiges, diese Frage zu beantworten, selbst über den Umweg einer Projektion. Schließlich hörte das Orakel auf zu sprechen und sackte wie eine halb in sich zusammengefallene Gummipuppe gegen die Wand. »Okay«, sagte B. »Ich weiß es jetzt. Aber wir müssen zuerst bezahlen, bevor ich es Ihnen sagen kann.«
Marla nickte. Diese Art von Hilfe hatte immer ihren Preis, und je besser das Orakel, desto höher der Preis. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Preis für dieses hier minimal war. Marla ging ins Vesuvio und bestellte einen Red Eye zum Mitnehmen. Mit einer Tasse dampfenden Kaffees mit einem Schuss Espresso darin kam sie wieder heraus und gab sie B. Feierlich, fast wie bei einer rituellen Zeremonie, goss er die Flüssigkeit über die Füße des Orakels. Dampf stieg auf, dann wurde das Orakel selbst zu Dampf, besänftigt mit einem Schluck heißen Lebens.
»Wir müssen nach Alcatraz«, sagte B. »Dort ist das große Orakel.«
Marla nickte. In Alcatraz würde etwas anderes auf sie warten. Keine Projektion von B.’s übernatürlichen Fähigkeiten, sondern ein urzeitliches, fremdartiges, unmenschliches Ding. »Hat es auch einen Namen?«
»Die Möhrenhexe?«, sagte B. »Die Mösenhexe? Die Magenhexe? Ich bin mir nicht sicher, irgendetwas in der Art. Das Orakel hat so genuschelt.« B. rieb sich die Schläfen. »Wenigstens gehen meine Kopfschmerzen jetzt wieder weg.«
»Bestens«, sagte Marla. »Und wie kommen wir nach Alcatraz? Stehlen wir ein Boot?«
»Ich hoffe nicht«, sagte B. »Aber vielleicht müssen wir das. Die Touren sind normalerweise Wochen im Voraus ausverkauft.«
Sie kamen gerade noch rechtzeitig am Pier 41 an und erwischten die letzte Fähre nach Alcatraz um 14:15 Uhr. Marla hätte sich einfach an Bord der Fähre geschlichen, aber B. war schon dabei, Tickets zu kaufen, bevor sie ihn aufhalten konnte. Die Ticketverkäufer lachten nur, als B. sie fragte, ob vielleicht irgendjemand seine Tour storniert hätte. Marla konnte keinen Wegsehzauber sprechen, nicht während die Ticketverkäufer derart auf sie konzentriert waren. Also ließ sie einen garstigen, aber nicht völlig entkräftenden Übelkeitszauber auf zwei Touristen los, denen Marla daraufhin ihre Tickets gegen einen großzügigen Aufpreis abkaufte. Sie hatte das Gefühl, die beiden hätten eine kleine Belohnung verdient, denn schließlich würden sie den größten Teil des Nachmittags damit verbringen, sich die Seele aus dem Leib zu kotzen. Schon bald hing Marla jedoch selbst über der Reling, um sich zu übergeben. Die Übelkeit beruhte auf einem Sympathiezauber, also musste ihr selbst wenigstens ein bisschen übel sein, damit er wirkte. Derlei Opfer musste man als Magierin ab und zu bringen, und immerhin nahm Marla diese Opfer selbst auf sich. Mutex dagegen wollte alle anderen opfern.
»Wissen Sie, was uns erwartet, wenn wir auf der Insel sind?«, fragte Marla, die sich auf eine Bank neben B. gesetzt hatte. Es war niemand in der Nähe, also machte Marla sich nicht die Mühe, einen Stillezauber zu sprechen. Und falls
doch jemand etwas mitbekommen sollte, würde er Marla und B. schlichtweg für verrückt halten. Das machte also nichts.
»Nicht genau«, sagte B. »Wir müssen zu einer bestimmten Zelle - keine von den berühmten -, dann gehen wir hinein, stellen uns vor die hintere Wand, schließen unsere Augen, drehen uns dreimal im Kreis und gehen dann los, unsere Augen immer noch fest geschlossen, wodurch wir logischerweise direkt gegen die Wand laufen würden, aber ich schätze, das wird nicht geschehen. Dann kommen wir zu der Möbel-Hexe oder wie auch immer ihr wirklicher Name lautet.«
»Wenn es überhaupt eine Sie ist oder wenn sie sich wenigstens den Anschein einer Sie verleiht. Denn ehrlich gesagt ist es ein Es .«
»Es fühlt sich diesmal anders an«, sagte B. »Ich spreche ständig mit übernatürlichen Wesen, aber das hier …«
»Ist etwas anderes«, sagte Marla. »Zumindest hoffe ich das. Denn nur mit der Hilfe der üblichen Verdächtigen werden wir Mutex nicht aufspüren können. Er bewegt sich so schnell, dass es so gut wie sinnlos ist, ihn zu verfolgen. Wir müssen ihn sozusagen überholen und ihm dann auflauern.« Sie schaute hinüber zur Alcatraz-Insel, einem riesigen Felsen in der Bucht mit kastenförmigen Gebäuden darauf. »Wie lange dauert die Fahrt eigentlich?«
»Zwanzig Minuten vielleicht. Ich habe diese Tour erst einmal gemacht, und das ist lange
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